Studium AllgemeinWissenschaftliche Methoden

Operationalisierung in der empirischen Sozialforschung (einfach erklärt)

Operationalisierung in der empirischen Sozialforschung

Du hast den Begriff der Operationalisierung im Kontext der empirischen Sozialforschung in einer Vorlesung gehört oder in einem Buch gelesen? Vielleicht sollst du sogar selbst für eine Übung oder Hausarbeit eine oder mehrere Variablen operationalisieren?

Das Problem dabei ist, dass die meisten Lehrkräfte an der Uni schon so lange mit diesem Begriff vertraut sind, dass es ihnen schwerfällt, sich in deine Lage hineinzuversetzen. Sie werfen mit Begriffen wie Variablen, Konzepten, Konstrukten und Operationalisierung um sich, ohne die Grundlagen zu vermitteln, die ein Novize oder eine Novizin auf diesem Gebiet braucht, um den Zusammenhang all dieser Begriffe zu verstehen.

In diesem Artikel möchte ich diese Begriffe also etwas sortieren und dir in möglichst einfachen Worten erklären, wie sie zusammenhängen. Und dann schauen wir uns selbstverständlich an, was Operationalisierung bedeutet und wie du eine Operationalisierung von Variablen in deiner eigenen Studie umsetzen kannst.

Das quantitative Forschungsparadigma

In der empirischen Sozialforschung wird hauptsächlich zwischen dem qualitativen und dem quantitativen Forschungsparadigma unterschieden. Diese Unterscheidung geht auf wissenschaftsphilosophische Annahmen zurück. Was es da für Annahmen und Positionen gibt, habe ich in meinem Tutorial zu Ontologie, Epistemologie und Methodologie erklärt.

Der Begriff der Operationalisierung ist im Kontext der quantitativen Sozialforschung relevant. Dieser Ansatz ist von dem Bedürfnis geprägt, theoretische Annahmen mithilfe statistischer Verfahren zu testen. Die Grundlage für die statistischen Verfahren sind quantitative empirische Daten. Ein Beispiel dafür sind die Antworten einer Umfrage oder die Ergebnisse eines Experiments.

Um die Daten zu erheben, arbeiten Forschende meist mit Stichproben. In der quantitativen Forschung sollten diese möglichst repräsentativ für die Grundgesamtheit sein, damit die Ergebnisse der Untersuchung der Stichprobe auch auf einen größeren Kontext übertragbar sind.

Operationalisierung in der empirischen Sozialforschung

Theoretische Bausteine (Konzepte und Konstrukte)

Um mit Erkenntnissen aus ganz vielen Einzelstudien zu einem größeren Ganzen beizutragen, arbeiten Forschende in den Sozialwissenschaften mit Theorie.

Die Bausteine von sozialwissenschaftlicher Theorie sind sprachlicher Natur, auch im quantitativen Paradigma. Mathematiker:innen oder Physiker:innen hingegen sind auch zufrieden mit Zahlen. Das hat wiederum etwas mit den wissenschaftsphilosophischen Annahmen zu tun, die ich eingangs erwähnte.

Für sozialwissenschaftliche Theorien brauchen wir zunächst einmal sogenannte Konzepte. Diese sind das Vokabular mit dem Forschende arbeiten, wenn sie die Theorie beschreiben oder neue Theorien entwickeln.

In diesem Bereich fühlen sich qualitativ Forschende besonders wohl. Sie sind happy damit, neue Konzepte zu entwickeln und damit das theoretische Vokabular zur erweitern, mit dem sich die sozialen Phänomene der Welt beschreiben lassen.

Quantitativ Forschende sind damit nicht zufrieden. Das konzeptuelle Level ist ihnen zu schwammig. Was der eine unter dem Begriff „Intelligenz“ versteht, kann ja völlig unterschiedlich von dem sein, was jemand anderes damit meint.

Um quantitative Forschung zu betreiben, werden deshalb Konzepte zu Konstrukten weiterentwickelt. Konstrukte sind messbar gemachte Konzepte. Messen ist eine Zuordnung von Zahlen zu Objekten oder Ereignissen (Döring & Bortz, 2016).

Operationalisierung

Dieses „messbar machen“ von Konzepten nennt man Operationalisierung. Hier kommt nun ein neuer Baustein in Spiel, und zwar die Variablen.

Ein fertiges Konstrukt kann aus einer oder mehreren Variablen bestehen. Es gibt also unidimensionale und multidimensionale Konstrukte.

Unidimensionale Konstrukte

Ein Beispiel für ein Konstrukt, das durch eine Messung von nur einer Variable bestimmt werden kann ist „Gewicht“. Wenn wir also mit einer Waage das Gewicht in Kilogramm bestimmen können, dann können wir das Konstrukt „Gewicht“ relativ einfach messen.

Multidimensionale Konstrukte

Viele andere Konstrukte die Forschende gern messen würden, sind allerdings etwas vielschichtiger. Das Konstrukt „Intelligenz“ ist nicht mithilfe einer einzigen Variable bestimmbar. Um eine Aussage über Intelligenz zu treffen, können Variablen wie „Abstraktes Denken“, „Kommunikationsfähigkeiten“, „Lernen“, „Problemlösen“ usw. herangezogen werden.

Im Rahmen der Operationalisierung eines multidimensionalen Konstrukts überlegst du dir also, welche Variablen sich für das Konzept benennen lassen und welche du davon in deine Untersuchung mit aufnehmen möchtest.

Das heißt im Umkehrschluss natürlich auch, dass sich ein Konstrukt unterschiedlich operationalisieren lässt. Eine Studie, die zur Messung von Intelligenz nur die Variable IQ heranzieht könnte man leicht kritisieren. Bei der Operationalisierung ist also die Begründung der ausgewählten Variablen und Messinstrumente von entscheidender Bedeutung.

Du möchtest professionelles Training für deine Abschlussarbeit?

Dann nimm jetzt Teil an meinem neuen online CRASH-KURS! (100% kostenlos)

(und erfahre die 8 Geheimnisse einer 1,0 Abschlussarbeit)

Hier mehr erfahren!

Messinstrumente

Die häufigsten Messinstrumente in der quantitativen Forschung in den Sozialwissenschaften sind sogenannte Item-Batterien. Das sind vorgefertigte Fragen, die man in einen wissenschaftlichen Fragebogen einbauen kann.

Diese Item-Batterien kann man selbst erstellen oder aus der Literatur nehmen. Für eine wissenschaftliche Arbeit im Rahmen deines Studiums würde ich dir letzteres empfehlen. Viele schlaue Forscherinnen und Forscher haben sich bereits die Arbeit gemacht diese ganzen Item-Batterien zu testen und zu evaluieren.

Das bedeutet auch, dass du die Messung einer einzelnen Variable unterschiedlich vornehmen kannst. Sagen wir mal, du möchtest „Abstraktes Denken“ messen. Hier könnte es sein, dass es verschiedene Item-Batterien oder Scores von verschiedenen Autoren gibt.

Für deine Operationalisierung ist es jetzt wichtig, deine Auswahl gut zu treffen und gut zu begründen. Du musst dich also damit auseinandersetzen, was die verschiedenen Batterien abdecken und welche Messinstrumente von der Forschungs-Community akzeptiert sind.

Ein Indikator für diese Akzeptanz ist die Menge an Zitationen der Publikation in der das Messinstrument bereitgestellt wird.

Darüber hinaus kann die Qualität einer Operationalisierung mit einer Betrachtung der Reliabilität und Validität der Messinstrumente bestimmt werden. Wenn du hier tiefer einsteigen möchtest, schau mal in meinem Tutorial zu Reliabilität, Validität und Objektivität vorbei.

Neben Frage-Batterien für Surveys gibt es natürlich noch viele andere Wege der Operationalisierung. Das Prinzip aber bleibt gleich. Wenn deine Methode eine Sensor-Messung, eine Simulation oder ein Topic-Modelling ist – dann hast du natürlich keinen Fragebogen.

Aber auch hier musst du dich mit der Literatur auseinandersetzen und dir die Metriken überlegen, die eine Aussagekraft über deine Variablen haben.

Theoretische Annahmen (Propositionen und Hypothesen) für die Operationalisierung

Um das Thema nun abzurunden, fehlt noch die Beantwortung der folgenden Frage: Du hast nun deine Messinstrumente bestimmt und deine Analysen durchgeführt. Und nun?

Neben den theoretischen Bausteinen, also deinen Konzepten und Konstrukten, gibt es auch noch den Kleber, der diese zusammenhält. Das sind die Verbindungen oder Beziehungen zwischen ihnen.

In der quantitativen Forschung geht es wie bereits gelernt nicht unbedingt darum neue Bausteine zu finden, sondern den Kleber bereitzustellen. Theoretische Beziehungen werden getestet, indem kausale (vorrangig bei Experimenten) oder korrelierende (z.B. bei Surveys) Zusammenhänge zu entdecken. Diese werden auf ihre statistische Signifikanz hin getestet.

Um zu wissen, was überhaupt getestet werden soll, dienen theoretische Annahmen. Diese werden aus der Literatur abgeleitet. Propositionen sind Annahmen, wie Konzepte zusammenhängen. Hypothesen sind Annahmen, wie messbare Variablen oder Konstrukte zusammenhängen.

Stellst du zu Beginn deiner Studie deine Hypothesen auf, wählst du also nicht nur die theoretischen Bausteine aus (z.B. Variable A hängt mit Variable B zusammen), sondern kannst auch schon eine Vermutung über den Zusammenhang aufstellen (z.B. Variable A wirkt positiv auf Variable B).

Mehr zu Hypothesen kannst du auch in meinen anderen Tutorials zum Aufstellen von Hypothesen lernen.

Fazit zur Operationalisierung

Wenn du jetzt eine ungefähre Idee davon hast, was Operationalisierung bedeutet, dann hat dieses Video seinen Zweck erfüllt. Doch gerade bei diesem Thema ist es notwendig, noch tiefer einzusteigen. Als nächsten Schritt würde ich dir das Methodenbuch von Döring und Bortz (2016) bzw. das Kapitel zum Thema Operationalisierung empfehlen. Viel Spaß beim Lesen!

Wenn du auf dem Weg zu mehr Erfolg im Studium noch ein wenig Starthilfe für deine wissenschaftliche Arbeit benötigst, dann habe noch ein PDF für dich, das du dir gratis herunterladen kannst:

Die 30 besten Formulierungen für eine aufsehenerregende Einleitung


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert