Wissenschaftlich Schreiben

Stichproben in der qualitativen Forschung (Auswahl, Größe, Beschreibung)

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Der Erfolg einer qualitativen Methode steht und fällt mit der Auswahl einer geeigneten Stichprobe. Aber wie wählt man aus, was Teil der Stichprobe sein soll? Wie groß soll sie am Ende sein und wie beschreibe ich das Vorgehen im Methodenteil?

All diese Fragen gehören nach den nächsten 1065 Wörtern der Vergangenheit an.

Denn dann kennst du die Antworten. In diesem Artikel widmen wir uns gemeinsam dem Thema „Stichprobe“, und zwar im Rahmen qualitativer Forschungsmethoden. Egal ob du Interviews führst, Dokumente sammelst oder Social Media Inhalte auswertest. Nach dem Lesen dieses Artikels weißt du alles über die Auswahl, Größe und Beschreibung deiner optimalen Stichprobe.

Das Ziel einer Stichprobe

In deiner wissenschaftlichen Arbeit möchtest du nach Möglichkeit zu Ergebnissen kommen, welche die Realität bestmöglich beschreiben. Zu dieser Realität gehören eine Menge Elemente. Elemente können in diesem Zusammenhang Menschen sein, aber auch Dokumente oder Social-Media-Postings. Je nach dem, was deinen Forschungsgegenstand am besten beschreiben kann.

Wenn du wissen willst, welche Strategien politische Parteien auf YouTube verfolgen, dann könntest du Parteivertreter interviewen. Aber noch bessere wäre es sicherlich, die Videos einfach direkt auszuwerten.

Die erste Argumentation, die du für deine Stichprobe leisten musst, ist also:

Warum ist gerade dieses Material bestmöglich dazu geeignet, die eingangs aufgestellte Forschungsfrage zu beantworten? 

Ist die Art des Materials festgelegt, ist die Auswahl der Elemente der nächste Schritt. Mal angenommen, die Wahl ist auf Interviews als Datenmaterial gefallen. Dann stehst du nun vor der Herausforderung, die richtigen Interviewees aus allen möglicherweise verfügbaren Menschen herauszufiltern.

Die Gesamtheit aller Menschen, die zum Forschungsgegenstand beitragen sind in diesem Fall die Grundgesamtheit. Da du aber nicht mit allen sprechen kannst, musst du einen Weg finden, wie du eine kleinere Gruppe von Menschen findest, die diese Grundgesamtheit bestmöglich repräsentiert. 

Es kann natürlich auch vorkommen, dass du gar keine Stichprobe brauchst, sondern tatsächlich alle Einheiten der Grundgesamtheit analysieren kannst, z.B. alle YouTube-Videos der regierenden Parteien in einem festgelegten Zeitraum.

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Regeln für die Bildung einer Stichprobe

Da es aber wirklich in den seltensten Fällen vorkommt, dass du alle Einheiten analysieren kannst, machen wir mit der sogenannten „Ziehung der Lotto…“ ähh „Ziehung der Stichprobe“ weiter.

Hier unterscheidet die Literatur grundsätzlich zwischen zwei Vorgehensweisen.

#1 Zufallsbasierte Verfahren

Dieses Verfahren ist fast selbsterklärend. Es wird einfach eine Teilmenge der Grundgesamtheit bestimmt, welche dann die Stichprobe bildet.

Dafür müssen jedoch zwei Vorraussetzungen gegeben sein.

#1 Du hast Zugriff auf alle Elemente.

Bei Interviews ist das eher schwierig, da du kaum wissen, geschweige denn nachweisen kannst, dass dir wirklich alle potenziell relevanten Interviewees zur Verfügung stünden.

Dieses Problem führt auch gleich zur zweiten Voraussetzung:

#2 Es muss klar definiert sein, wie sich die Grundgesamtheit zusammensetzt.

Analysierst du zum Beispiel eine Sammlung an Dokumenten, z.B. Geschäftsberichte etc., dann ist es durchaus möglich, dass du hier zufällig aus der Grundgesamtheit auswählen kannst. Hier würde eine zufallsbasierte Stichprobe also durchaus Sinn machen.

#2 Nicht-zufällige Verfahren

Dieses Vorgehen der Stichprobenziehung wirst du in qualitativer Forschung häufig antreffen. Eine Limitation dieser Vorgehensweise ist, dass die Repräsentativität nicht einhundertprozentig sichergestellt werden kann.

Es ist für dich kaum möglich vorher zu entscheiden, welche exakte Ansammlung von Interviewees nun perfekt die Grundgesamtheit widerspiegelt. Diesen sogenannten „Selection Bias“ kannst du im Fazit deiner wissenschaftlichen Arbeit unter „Limitationen“ aufführen, aber Sorgen musst du dir darüber nicht machen. Denn in der qualitativen Forschung ist die Verallgemeinerung hinzu einer absoluten Wahrheit ohnehin nicht das Ziel.

Die Maxime sollte es sein, so systematisch wie möglich vorzugehen. Lege also exakte Kriterien fest, wie deine utopische Stichprobe aussehen soll. Und immer wenn irgendetwas dazwischen kommt, jemand sagt den Interviewtermin ab, ist krank oder wechselt die Organisation, dann suchst du immer nach der nächstbesten Lösung.

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Wichtige Kriterien der Stichprobenziehung

Neben der Repräsentativität ist Nachvollziehbarkeit ein wichtiges Kriterium. Beschreibe in deinem Methodenteil also so genau wie möglich wie du vorgegangen bist und nach welchen Kriterien deine Stichprobe entstanden ist.

Welche Kriterien du genau anlegst, hängt immer davon ab, welche Forschungsfrage und welche theoretischen Annahmen deiner Arbeit zugrundeliegen.

Außerdem hast du dich wahrscheinlich für ein methodologisches Framework entschieden. Hier findest du Hinweise darüber, welche Kriterien die AutorInnen dieses Frameworks zur Stichprobenziehung empfehlen.

Ein Beispiel:

Du hast dich für Experteninterviews nach dem Vorgehen von Meuser und Nagel (2002;2009) entschieden. Hier müsstest du nun im Buch der beiden nachschauen und herausarbeiten, nach welchen Kriterien sie einen Experten definieren. Diese wendest du dann bei deiner Akquise von Interviewees an und argumentierst in deinem Methodenteil, wie und warum deine Stichprobe diesen Kriterien genügt.

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Quoten und Größe einer Stichprobe

Muss die Stichprobe eine bestimmte Quote erfüllen?

Bestimmt hast du schonmal von Quoten gehört, die eine Stichprobe erfüllen soll. Sofern du keine weiteren Vorgaben hast, dann sollten die Quoten immer so verteilt sein, wie die auch in der Grundgesamtheit. Wenn du beispielsweise Experten aus einem bestimmten Bereich der Modebranche interviewst und hier üblicherweise 60% der Grundgesamtheit weiblich sind, dann sollte sich diese Quote auch in deinem Sample wiederfinden. Aber auch nur, wenn dir die Quote der Grundgesamtheit überhaupt bekannt ist.

Wie groß soll die Stichprobe sein?

„Wie viele Interviews soll ich denn machen?“ 

Das ist die wohl am häufigsten auftretende Frage, die ich gestellt bekomme. Eine Pauschale Antwort gibt es nicht. Auch nicht für anderes Datenmaterial. Denn der Umfang der Stichprobe hängt sehr stark von der Methode ab.

Einen Hinweis geben uns Glaser und Strauss (1967), zwei der einflussreichsten Autoren in der qualitativen Sozialforschung. Nach dem Prinzip der theoretischen Sättigung ist die optimale Stichprobengröße dann erreicht, wenn zusätzliche Daten keine neuen Erkenntnisse mehr hervorbringen.

Diesen Sättigungspunkt in einer studentischen Abschlussarbeit genau zu treffen ist allerdings schwierig und wird auch meistens nicht erwartet.

Stattdessen kannst du dich an die Regel halten, dass die Durchführung der Methode, d.h. Datensammlung und -auswertung nicht länger als ein Drittel der zur Verfügung stehenden Zeit beanspruchen sollte.

Beschreibung deiner Stichprobe

Im Methodenteil sollte deine Stichprobenauswahl ausführlich beschrieben werden. Dabei kannst du alle in dieses Artikel genannten Aspekte aufgreifen. Also:

  • Methodologische Annahmen
  • Auswahlkriterien
  • Repräsentativität
  • Nachvollziehbarkeit
  • Umfang

Die Limitationen diskutierst du hier nicht, sondern verschiebst sie auf das Fazit. Im Methodenteil geht es ausschließlich darum, FÜR dein Vorgehen zu argumentieren.

Bei jeder guten Beschreibung einer Stichprobe darf eine Tabelle nicht fehlen. So kannst du deine Stichprobe auf einen Blick sichtbar machen. Füge hier die wichtigsten Informationen ein, wie in diesem Beispiel eines Interview-Samples:

  • Interviewee-ID
  • Jobbeschreibung oder Funktion
  • Erfahrung
  • Alter
  • Geschlecht
  • Länge des Interviews

Beachte, dass du jederzeit die Privatsphäre der Teilnehmenden wertschätzt und alle Daten anonymisierst.


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2 Gedanken zu „Stichproben in der qualitativen Forschung (Auswahl, Größe, Beschreibung)

  1. Moin Philip,
    zum Glück bin ich mit einer BA jetzt fertig – trotzdem lerne ich gerne was dazu. Ich habe gelernt, dass qualitative Forschung ein Sampling (keine Stichprobe) erfordert und dass die Gütekriterien – im Unterschied zu quantitativer Forschung – nicht Repräsentivität, Validität etc. sind, sondern Regelgeleitetheit, Angemessenheit dem Verfahren gegenüber, Verfahrensdokumentation, argumentative Absicherung, ggf. kommunikative Validierung, sowie ggf. Triangulation (nach Mayring)… vielleicht ist Mayring ja bloß einer unter mehreren, und andere qualitative Forscher*inen nehmen andere Gütekriterien zur Grundlage? Was sagst Du dazu?

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