Möchtest du im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit eine Reihe von Hypothesen aufstellen? Du weißt zwar ungefähr wie das auszusehen hat, aber so wirklich sicher bist du dir nicht?
Dann solltest du unbedingt die nächsten 11 Minuten deiner Zeit in diesen Artikel investieren.
Denn hier bekommst du eine komplette Anleitung zum Aufstellen deiner Hypothesen, inklusive Begriffserklärung, Abgrenzung zu verwandten Elementen wie allgemeine These und Forschungsfragen – sowie 3 Beispiele, an denen du dich orientieren kannst, wenn du deine eigenen Hypothesen aufstellen möchtest.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Unterschied Hypothese – These – Forschungsfrage?
- 2 In welchem Fall du Hypothesen aufstellen solltest
- 3 3 Eigenschaften, die jede Hypothese besitzen muss
- 4 Technisch saubere Hypothesen aufstellen (3 Beispiele)
- 5 Hypothesen aufstellen – aber wie viele?
- 6 Wo Hypothesen in einer wissenschaftlichen Arbeit platziert werden
Unterschied Hypothese – These – Forschungsfrage?
Aber was ist denn nun eine Hypothese?
Eine Hypothese (griechisch: ‚Unterstellung‘) ist eine Annahme, die im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung untermauert oder widerlegt werden kann.
Sie gibt keinen bewiesenen Sachverhalt wieder, sondern ist lediglich eine wahrscheinlich korrekte Aussage.
Dabei stellt eine Hypothese meist einen Zusammenhang zwischen zwei Faktoren – Variablen – her. A beeinflußt B positiv. Ein Anstieg von C führt zu einer Reduktion von D. Und so weiter.
Und was ist dann eine These?
Bei einer „normalen“ These handelt es sich um eine Behauptung, die eines (wissenschaftlichen) Beweises bedarf. Anders als bei Hypothesen, gibt es hier kein Regelwerk wie eine solche Thesen auszusehen hat.
In vielen Fällen wird eine These zugespitzt und kontrovers formuliert, um eine Diskussion anzuregen.
Wozu braucht man Hypothesen, wenn man eine Forschungsfrage hat?
Eine Forschungsfrage ist vom Typus her etwas ganz anderes als eine These. Sie bietet den Leitfaden für eine wissenschaftliche Arbeit. In gewisser Weise ist die Forschungsfrage der Aufhänger für den roten Faden und das zentrale Argument einer wissenschaftlichen Arbeit.
Die Forschungsfrage bildet einen bestimmten Kontext. Innerhalb dieses Kontextes kann es wiederum einzelne Abhängigkeiten und Faktoren geben, die durch Hypothesen in einen Zusammenhang gebracht werden können.
Eine detaillierte Anleitung zum Aufstellen einer Forschungsfrage findest du ebenfalls auf meinem Blog.
In welchem Fall du Hypothesen aufstellen solltest
Hypothesen werden in der Regel immer dann aufgestellt, wenn eine wissenschaftliche Fragestellung mithilfe empirischer Forschungsmethoden untersucht werden soll.
Besonders geeignet sind hier quantitative Ansätze, da hier Methoden für die systematische Untersuchung von Hypothesen bereitstehen. Wird beispielsweise ein signifikanter Zusammenhang zwischen Variable A und Variable B festgestellt, kann dieses Ergebnis eine Hypothese bekräftigen.
Zumindest dann, wenn die Hypothese im Vorfeld so aufgestellt wurde, dass sie den Zusammenhang zwischen A und B vermutet hat.
Für literaturbasierte wissenschaftliche Arbeiten, Fallstudien oder die meisten qualitativen Untersuchungen sind Hypothesen in der Regel zu vernachlässigen.
Hier reicht es aus, wenn der Arbeit eine oder zwei präzise Forschungsfragen zugrunde liegen.
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3 Eigenschaften, die jede Hypothese besitzen muss
Eine Hypothese muss eine logische Beziehung enthalten #1
Da eine Hypothese immer einen Zusammenhang widerspiegelt, muss sie einer gewissen Logik folgen. Der simpelste logische Zusammenhang ist dieser hier:
Wenn… dann!
Wenn du schon einmal programmiert hast, dann kennst du diesem Zusammenhang aus dem FF (if… then.). Eine Hypothese ist nichts anderes als ein logisches Element in natürlicher Sprache.
Wenn Variable A steigt/sinkt/sich verdoppelt (usw.), dann steigt/sinkt/verdoppelt sich (usw.) Variable B.
Oder auch: Es besteht (irgend-) ein Zusammenhang zwischen A und B.
Mehr ist es gar nicht! 🙂
Eine Hypothese muss falsifizierbar sein #2
Die Untersuchung muss zulassen können, dass die aufgestellte Hypothese sich auch als falsch herausstellen kann. Wenn du eine Hypothese aufstellst, die logisch gar nicht anders sein kann – Tja, dann ist das Aufstellen dieser Hypothese überflüssig.
Außerdem solltest du bei deiner Wortwahl besonders aufpassen.
In wissenschaftlichen Arbeiten ist nie die Rede davon, dass etwas bewiesen ist.
Selbst wenn all deine Ergebnisse eine zuvor aufgestellte Hypothese bekräftigen, sind das lediglich Indizien. Demnach solltest du in deiner wissenschaftlichen Arbeit davon schreiben, dass XY darauf hindeutet, dass sich der Zusammenhang als richtig erweisen hat.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit wird eine Hypothese dennoch entweder angenommen oder verworfen.
Es gibt nicht die Möglichkeit, dass eine Hypothese vielleicht oder nur ein bisschen angenommen wird. Das Regelwerk dafür ist in der jeweiligen Methode eindeutig beschrieben (z.B. Signifikanzniveaus etc.)
Hypothesen müssen bewiesen werden können – oder? #3
Drittens müssen Hypothesen ja auch irgendwie beweisbar sein. Hm. Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Denn hier befinden wir uns schon tief in der Wissenschaftstheorie.
Vertreter des Falsifikationismus würden behaupten, dass eine (Hypo-)These lediglich falsifizierbar sein muss, aber niemals bewiesen werden kann. (What?)
Am anschaulichsten kannst du dir diese Sache am klassischen Beispiel der schwarzen Schwäne vorstellen. Selbst wenn es auf der Welt nur einen einzigen schwarzen Schwan gibt, ist die These „Alle Schwäne sind weiß“ bereit falsch. Selbst wenn 99,99999% aller Schwäne weiß wären.
Anstatt einen Sachverhalt zu beweisen, ist das Widerlegen eines solchen oft besser realisierbar.
Hypothesen zu „beweisen“ ist demnach eher eine veraltete Sichtweise.
Technisch saubere Hypothesen aufstellen (3 Beispiele)
Jetzt kommen wir aber endlich zum Eingemachten. Wie kannst du für deine wissenschaftliche Arbeit eine saubere Hypothese aufstellen?
Um deine Hypothesen formulieren zu können, brauchst du (mindestens) zwei Variablen. Die holst du dir aus der Literatur.
Stell dir vor, du möchtest eine Kundenservice-App gestalten. Welche Zusammenhänge könnten hier von Bedeutung sein?
H1. Das Enjoyment während der Nutzung wirkt sich positiv auf die Kundenzufriedenheit aus.
H2. Ein Avatar mit Foto des Service-Mitarbeiters wirkt sich positiv auf die Kundenzufriedenheit aus.
H3. Pop-Ups wirken sich negativ auf die Kundenzufriedenheit aus.
Und so weiter.
Bei einer empirischen Studie brauchst du nun spezifische Items (z.B. in Fragebögen), welche die einzelnen Variablen widerspiegeln. Aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel.
Hypothesen aufstellen – aber wie viele?
Das richtet sich ganz nach der Komplexität des Problems und dem Umfang der wissenschaftlichen Arbeit. Hier gibt es keine Faustregel. Für eine studentische Abschlussarbeit sind 3-5 Hypothesen ein ungefährer Richtwert.
Du solltest jedenfalls keine Hypothesen aufstellen, die deiner Forschungsfrage nicht zuträglich sind. Überlege genau:
Welche Hypothesen brauche ich, um meine zentrale Fragestellung zu beantworten?
Bringe nur die wirklich relevanten Zusammenhänge in deine Hypothesen. Sie müssen das stringente Argument deiner Arbeit unterstützen.
Nebensächliche Hypothesen aufstellen – das lenkt nur von der Klarheit deiner wissenschaftlichen Arbeit ab. Wie du meiner Ansicht nach eine stringente und wirklich herausragende wissenschaftliche Arbeit auf’s Parkett legst, kannst du Schritt für Schritt in meinem e-Book „Das Geheimnis einer herausragenden Hausarbeit“ lernen.
Wo Hypothesen in einer wissenschaftlichen Arbeit platziert werden
Oftmals wird der Literaturteil dafür genutzt, um die Hypothesen einzuführen. Das heißt nach der Einleitung und vor der Beschreibung der Methode.
Wenn in einer eher kürzeren oder sehr technischen Arbeit kein wirklicher Literaturteil existiert, kann die Herleitung der Hypothesen auch am Ende der Einleitung nach der Forschungsfrage erfolgen.
In den meisten Fällen kannst du dir Literatur dazu nutzen, um deine Hypothesen „abzuleiten“. Hier hast du pro Hypothese einen Absatz, der mithilfe wissenschaftlicher Quellen belegt, warum die Untersuchung dieses Zusammenhangs wichtig ist. Auf diese Argumentation folgt dann die Hypothese. In etwa so:
Argumentation basierend auf der Literatur
Hypothese 1
Argumentation basierend auf der Literatur
Hypothese 2
Argumentation basierend auf der Literatur
Hypothese 3
In jedem Fall sollte zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar sein, wie du auf die Hypothese gekommen bist.
Befolgst du diese simple Struktur, dann steht deinem Erfolg mit einer Hypothesen-geleiteten Arbeit nichts mehr im Wege.
Außer vielleicht eine Sache…
Ein SCHWARZER Schwan! Mist!!!
Wenn du jetzt noch ein wenig Starthilfe für deine wissenschaftliche Arbeit benötigst, dann habe noch ein PDF für dich, das du dir gratis herunterladen kannst:
Die 30 besten Formulierungen für eine aufsehenerregende Einleitung
14 Gedanken zu „Hypothesen aufstellen | So formulierst du sie fehlerfrei (3 Beispiele)“
Hallo Philip,
danke für deine überragenden Artikel. Die helfen mir aktuell echt weiter.
Ich bin gerade dabei meine Bachelorarbeit zu schreiben.
Aus deinem Text: „Bei einer empirischen Studie brauchst du nun spezifische Items (z.B. in Fragebögen), welche die einzelnen Variablen widerspiegeln. Aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel.“
Gibt es dazu schon einen Artikel? 😀
Liebe Grüße
Marie
Hi Marie,
sorry für die späte Antwort.
Ja, schau mal hier: https://shribe.de/wissenschaftlichen-fragebogen-erstellen/
Viele Grüße,
Philip
Hi Philip,
ich finde deinen Blog sehr gut gelungen und verweise in der Lehre gern auf einige deiner Beiträge – vielen Dank also für deine Mühen und Erklärungen!
Ich habe eine Frage zu diesem Beitrag hier, der die Hypothesen betrifft. Du schreibst: „Für literaturbasierte wissenschaftliche Arbeiten, Fallstudien oder die meisten quantitativen Untersuchungen sind Hypothesen in der Regel zu vernachlässigen.“ Kann es sein, dass du hier eigentlich ‚qualitative‘ Untersuchungen statt quantitative Untersuchungen meinst?
Hallo Miriam,
danke für die lieben Worte. Ja natürlich, was für ein ärgerlicher Fehler. Hab ich korrigiert.
Viele Grüße und Danke,
Philip
Hallo Philip,
ein sehr guter Artikel!
Ich habe eine Frage zu dem Punkt „für die qualitativen Arbeiten sind die Hypothesen in der Regel zu vernachlässigen“. Heißt das, dass trotzdem eine Ausnahme von der Regel sein kann?
Ich beschäftige mich in Rahmen meiner Masterarbeit mit der qualitativen Evaluation einer Bildungsmaßnahme. Ich habe Leitfadeninterviews durchgeführt und die erhobenen Daten anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Obwohl ich qualitativ vorgehe, möchte mein Professor Hypothesen am Ende haben. Die Hypothesen soll ich seiner Meinung nach basierend auf den Ergebnissen meiner Interviews aufstellen und durch Theorie erklären. Mir wurde gesagt, die Hypothesen dürfen nicht unerklärt bleiben.
Ein Beispiel von meinem Professor für eine mögliche Hypothese war: „Die Teilnehmenden können die Inhalte in der täglichen Arbeit anwenden, weil das Training praxisbezogen war.“
Ist Dir ein solches Vorgehen bei den qualitativen Studien bekannt?
Viele Grüße
Ecaterina
Hi Philip,
vielen Dank für den sehr gelungenen und hilfreichen Artikel.
Meine Frage wäre (Bachelorarbeit): Wieviele Items aus dem Fragebogen sollten bestmöglich für eine Hypothese zur Forschung verwendbar sein? Beispiel Abhängigkeit der Generation mit dem Einkaufsverhalte. So hat man das Item „Generation“. Wieviele weitere Items mit einem Zusammenhang zum „Einkaufsverhalten“ werden bestmöglich benötigt?
Danke!!
Hallo, danke für den lehrreichen Artikel. Eine Frage hätte ich da noch. Wenn man Hypothesen aufstellt, muss man dafür zwingend eine wissenschaftliche Studie bzw. wissenschaftliche Literatur als Quelle nehmen, um die Hypothese damit zu begründen? Man kann ja schlecht einfach nur seine eigene Vermutung für Hypothese verwenden oder? Zu meinem Thema der Bachelorarbeit finde ich keine frei verfügbaren Studien… Könnte ich es auch mit einem Zeitungsartikel begründen? Ich habe bedenken, dass dies nicht seriös genug ist. Vielen Dank schon mal!! 🙂