Wissenschaftliche Methoden

Kodieren in der qualitativen Forschung (einfach erklärt)

Kodieren in der qualitativen Forschung

Wenn es um qualitative Forschung geht, reden alle immer nur vom Kodieren, Codes, und Kategorisieren. Aber was ist damit überhaupt gemeint?

Dieses Video dient dir als Einstieg, um diese Vokabeln zu verstehen.

Ich zeige dir:

  • das Grundprinzip des Kodierens (Teil 1)
  • was ein Code bzw. eine Kategorie ist (Teil 2)
  • wie du von qualitativen Daten zu deinen ersten Codes kommst (Teil 3)
  • Welche unterschiedlichen Arten des Kodierens es gibt (Teil 4)

Nach diesem Video bist du also bestens für dein eigenes qualitatives Forschungsprojekt vorbereitet. Du kannst mit der qualitative Inhaltsanalyse, der Grounded Theory oder jeder anderen qualitativen Methode durchstarten.

#1 Was ist Kodieren?

Kodieren beschreibt den Vorgang, Daten mit begrifflichen Etiketten zu versehen (Urquhart 2013). Dabei geht es hauptsächlich um qualitative Daten, also Text, Bilder, Videos oder Audio.

Der Einfachheit halber gehen wir für diesen Artikel mal davon aus, dass unsere Daten mithilfe von Interviews erhoben wurden und diese nun als Transkript in Textform vorliegen.

Wenn wir einem bestimmten Bündel an Daten ein bestimmtes Etikett zuweisen, beginnen wir, diese Daten zu analysieren. Ein Bündel an Daten könnte beispielsweise eine Antwort auf eine Interviewfrage sein, aber auch eine zufällige einzelne Zeile in unserem Transkript.

Kodieren in der qualitativen Forschung

Warum ist Kodieren nützlich?

Es kann uns beispielsweise dabei helfen, größere Mengen an Daten zusammenzufassen. Stell dir vor, du hast 20 Interviews geführt und hast nun Transkripte die insgesamt 200 Seiten ergeben.

Wie soll man den Inhalt dieser Daten bloß in einen einzigen Ergebnisteil einer wissenschaftlichen Arbeit pressen? Richtig – In dem man sie zusammenfasst. Hier bieten verschiedene Kodiertechniken also ein Werkzeug, um dies systematisch und nachvollziehbar zu tun.

Daten lassen sich durch den Vorgang des Kodierens aber nicht nur zusammenfassen, sondern auch strukturieren. Eine Struktur könnte bedeuten, dass deine Daten konkreten Kategorien zugeordnet sind. Diese Kategorien geben den Daten eine Bedeutung. Mehr dazu gleich im zweiten Teil des Tutorials.

Kodieren für die Theoriebildung in der qualitativen Forschung

Die Zusammenfassung und Strukturierung sind zwei Begriffe, die im deutschsprachigen Raum vor allem von Prof. Philip Mayring geprägt wurden. In seinem Methodenbuch der qualitativen Inhaltsanalyse beschreibt er konkrete Techniken für die zusammenfassende und strukturierende Inhaltsanalyse.

Kodieren in der qualitativen Forschung kann allerdings noch viel weiter gehen, als die qualitative Inhaltsanalyse es vorsieht. Das Kodieren ist nämlich eines der wichtigsten Werkzeuge, um neue Theorien zu entwickeln.

Hier sind wir dann im Bereich der Grounded Theory angekommen. Was es damit auf sich hat, kannst du in anderen Videos von mir nachschauen. Schaue dazu nicht nur die Tutorials zur Grounded Theory an, sondern auch das Video zum Thema „Was ist eine Theorie?

Die Kurzfassung an dieser Stelle ist, dass es sich bei der Grounded Theory um eine Methodologie und keine Methode handelt, d.h. verschiedene Kodiertechniken können zum gleichen Ziel führen: Neuer Theorie.

Diese neue Theorie besteht aus Konstrukten und deren Beziehungen zueinander. Der nötige Zwischenschritt, um von qualitativen Daten zu diesen Bestandteilen zu gelangen, ist das Kodieren.

Welche Kodiertechniken man sich zunutze macht und wie man sie miteinander kombiniert hängt davon ab, auf welche Empfehlungen bzw. Autoren man sich bei seiner eigenen Grounded Theory Studie festgelegt hat.

Im weiteren Verlauf einer Grounded Theory Studie geht es außerdem darum, die Beziehungen zwischen einzelnen Codes zu bestimmen. Das Kodieren ist hier also nicht nur darauf beschränkt aus Codes Konzepte und Konstrukte zu machen, sondern auch einen Prozess zu erklären. Mehr dazu findest du in anderen Tutorials.

#2 Was ist eine Code bzw. eine Kategorie?

Ganz einfach gesagt ist ein Code nur ein Label, das wir einem bestimmten Teil unserer Daten geben. Code und Kategorie sind das Gleiche. Einmal Englisch, einmal Deutsch.

Man unterscheidet im Allgemeinen auch zwischen deskriptiven und analytischen Codes.

Deskriptive Codes können beispielsweise bestimmte Dinge wie Signalwörter aus den Daten übernehmen. Man bedient sich dann der Sprache, die auch in den Daten selbst vorkommt.

In den meisten Fällen ist es aber besser, möglichst schnell davon wegzukommen und seine eigenen Worte für die Codes zu wählen (Urquhart, 2013).

Analytische Codes gehen über die reine Beschreibung hinaus und bieten eine Interpretation der Daten. Das ist schließlich das, wo wir bei fast jeder qualitativen Methode hinwollen.

Die Codes können dabei verschiedene Abstraktionslevel haben. Je niedriger das Abstraktionslevel, desto deskriptiver sind die Codes. Je höher die Abstraktion, desto analytischer sind die Codes.

Die verschiedenen Abstraktionslevel tragen dazu bei, dass sich eine Art Hierarchie zwischen den Codes ergibt. Man spricht hier auch vom Kategoriensystem (Mayring, 2015) oder der Datenstruktur (Gioia, 2013).

Ein Kategoriensystem a la Mayring könnte zum Beispiel aus einer Handvoll Oberkategorien und etwa zwei oder drei mal so vielen Unterkategorien bestehen.

Eine Datenstruktur a la Gioia besteht meistens aus first order themes, second order themes und aggregate dimensions. Themes und dimensions sind hier nur fancy Wörter für etwas weiterentwickelte Codes.

Du merkst schon, es kommt immer ein bisschen auf die Methode und die Autoren an, wie bestimmte Codes und ihre Strukturen bezeichnet werden. Übernimm einfach immer die Bezeichnungen aus dem methodischen Leitfaden, nach dem du arbeitest.

Du möchtest professionelles Training für deine Abschlussarbeit?

Dann nimm jetzt Teil an meinem neuen online CRASH-KURS! (100% kostenlos)

(und erfahre die 8 Geheimnisse einer 1,0 Abschlussarbeit)

Hier mehr erfahren!

#3 Ein Beispiel aus einem Interview-Transkript

Schauen wir uns mal ein einfaches Beispiel für die simpelste Variante des Kodierens, dem offenen Kodieren, an.

Für eine Studie habe ich Interviews in Firmen geführt, die sich seit ihrer Gründung remote organisieren. Das hier ist eine Antwort eines Experten aus einem Interviewtranskript:

Der Prozess sieht dann in der Regel so aus: Drei Leute, die sich speziell dafür interessieren, machen einen Vorschlag und dann wird informell in Slack oder bei einem Treffen darüber abgestimmt, ob der Vorschlag gut ist oder nicht.

Und mit den Regeln war es genauso, drei Leute, die schon Erfahrung mit solchen Regeln aus anderen Kontexten hatten, haben es als Google-Dokument ausgearbeitet, dann ist es in Slack gelandet. Verschiedene Leute fügten dem Google-Dokument Kommentare darüber hinzu, was sie von jedem Satz hielten. So ging es etwa eine Woche lang hin und her. Und am Ende gab es einen Entwurf, der allen gefiel, und das war’s.

Beim offenen Kodieren kann ich nun jeder Zeile oder jedem Satz eine Kategorie zuweisen. Dem Satz „Der Prozess sieht dann in der Regel so aus: Drei Leute, die sich speziell dafür interessieren“ würde ich dem Code Bilden einer Interessengruppe zuordnen.

Der Abschnitt „Und am Ende gab es einen Entwurf, der allen gefiel, und das war’s“ könnte den Code Kollektive Zufriedenheit bekommen.

Diese beiden Codes sind auf einem sehr niedrigen Abstraktionsniveau. Das liegt daran, dass sie nur jeweils einem Satz bzw. einer Zeile zugeordnet sind. Sie sind zudem sehr deskriptiv und beschreiben das Gesagte.

Um zu einem analytischen Code zu gelangen, können wir nun die Codes der einzelnen Zeilen zusammenfassen bzw. interpretieren. Für die gezeigte Antwort könnte sich so der Code Konsensbildung ergeben. Dieser Code interpretiert die Daten und fasst in einem Wort zusammen, worum es hier im Grunde ging.

Ein analytischer Code muss aber nicht zwingend aus einem Wort bestehen.

Kodieren in der qualitativen Forschung

#4 Welche Unterschiede gibt es beim Kodieren in der qualitativen Forschung?

Die Beispiele, die wir uns angeschaut haben, sind typisch für die (1) induktive Kategorienbildung. Bei der zusammenfassenden Inhaltsanalyse und natürlich der Grounded Theory wird diese Art des Kodierens hauptsächlich verwendet.

Der Vorgang bei der induktiven Kategorienbildung ist bottom-up, also von den Daten hin zum Code.

Daneben gibt es selbstverständlich auch die (2) deduktive Kategorienanwendung. Diese ist charakteristisch für die strukturierende Inhaltsanalyse bzw. quantitative Inhaltsanalyse. Hier legst du dich basierend auf existierender Theorie auf ein Kategoriensystem fest, in das du deine Daten nur noch einsortieren musst.

Der Vorgang bei der deduktiven Kategorienanwendung ist top-down, also von der Theorie hin zu den Daten.

Da es aber meist kein schwarz und weiß gibt, sondern auch etwas dazwischen. Ich nenne das der Einfachheit halber (3) abduktive Kategorienbildung. Damit ist gemeint, dass der Vorgang des Kodierens in einem stetigen Wechselspiel aus Theorie und Daten geschieht. Abduktion kann noch mehr als das umfassen, aber mehr musst du dir an dieser Stelle nicht merken. Einige Ansätze der Grounded Theory begrüßen dieses Vorgehen in ihren Empfehlungen. Hier musst du aufpassen, die Empfehlungen verschiedener Autoren nicht zu sehr zu vermischen.

Und zu guter Letzt wäre da noch das (4) thematische Kodieren, wie es Braun und Clarke (2006) beschreiben. Der Unterschied zu den anderen Arten ist, dass hier breiter gefasste Codes (themes) verwendet werden, um größere Datenschnipsel zu interpretieren. Es ist weniger kleinschrittig, als die anderen Techniken. Ein Tutorial dazu habe ich dir genau jetzt eingeblendet.

Wenn du auf dem Weg zu mehr Erfolg im Studium noch ein wenig Starthilfe für deine wissenschaftliche Arbeit benötigst, dann habe noch ein PDF für dich, das du dir gratis herunterladen kannst:

Die 30 besten Formulierungen für eine aufsehenerregende Einleitung


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert