Bist du auf der Suche nach einer einfachen Erklärung der Grounded Theory ohne dabei in Verwirrung und Komplexität zu erstarren?
Dann bist du hier mal wieder an der richtigsten aller Orte im weltweiten Web.
Denn in diesem Artikel erkläre ich dir die Methodologie der Grounded Theory, was das Ganze soll und warum der Prozess gar nicht so wild ist, wie er sich anhört. Um den Artikel besser zu strukturieren, habe ich ihn in vier Teile gegliedert:
- Das Ziel der Grounded Theory
- Bausteine der Grounded Theory
- Methodisches Vorgehen
- Anwendung im Studium
Also schnapp dir ein paar Snacks, dein digitales Notizbuch und lass uns gemeinsam was Lernen.
Inhaltsverzeichnis
Das Ziel der Grounded Theory #1
Die Grounded Theory beschreibt eine Methodologie der qualitativen Sozialforschung. Dass im Namen „Theory“ vorkommt, ist also etwas irreführend. Die Grounded Theory ist selbst keine Theorie, sondern eine Art Gebrauchsanweisung, wie man als Forscher eine Theorie entwickeln kann.
Wichtig an dieser Stelle ist zu verstehen, dass wir uns im Bereich der qualitativen Sozialforschung befinden. Hier kannst du nachlesen, worin der Unterschied zwischen qualitativer und quantitativer Forschung besteht.
Das bedeutet nun als, dass die Anwendung der Grounded Theory auf qualitative Daten beschränkt ist. Und genau das ist auch das besondere an der Methodologie, nämlich folgendes Ziel zu verfolgen:
Grounded Theory möchte neue Theorie durch die Sammlung und Analyse qualitativer Daten entwickeln.
Was hier besonders zu betonen ist: Die Theoriebildung geschieht aus den Daten heraus, also induktiv. Es werden zunächst Daten erhoben, dann analysiert und mithilfe von Kategoriebildung und anderen vergleichenden Verfahren zu einer Theorie konzeptionalisiert. Demgegenüber steht ein deduktives Vorgehen, das zur Theoriebildung mithilfe quantitativer Daten verwendet wird. Hier kannst mehr über den Unterschied zwischen Induktion und Deduktion lernen.
Bausteine der Grounded Theory #2
Sampling
An erster Stelle im Prozess der Grounded Theory steht die Datenerhebung. In den allermeisten Fällen geschieht dies durch das Führen von Interviews. Geeignete Datentypen sind allerdings in feinster Weise auf Interview-Antworten beschränkt. Auch Videos, Social-Media-Postings, Zeitungsartikel, oder Bilder liefern qualitative Daten, welche zur Theoriebildung mit der Grounded Theory genutzt werden können.
Um die Stichprobe bzw. den Untersuchungsgegenstand zu begrenzen, werden bei der Grounded Theorie in erster Linie ein oder mehrere Fälle ausgewählt, die zur Erhebung der Daten dienen. Mehrere Fälle (z.B. Phänomene, Ereignisse, Organisationen, etc.) lassen sich untereinander vergleichen (Dann am besten direkt 3 Falle), bedeuten jedoch auch sehr viel mehr Arbeit.
Vergleichen, vergleichen, vergleichen
Nachdem die Daten erhoben wurden (Anleitung für Experten-Interviews), werden sie kodiert (dazu gleich mehr bei den Methoden). Daraus sollen Kategorien entstehen, in welche die einzelnen Datenschnipsel (z.B. Antworten auf Interview-Fragen) eingeordnet werden können.
Die Grounded Theory ist generell sehr offen, was die Vorgehensweise angeht, solange einzelne Schritte gut und logisch argumentiert sind.
Ein wichtiger Bestandteil, der in jedem Fall berücksichtigt werden sollte ist der Vergleich. Das kann der Vergleich innerhalb eines Samples sein (verschiedene Kategorien untereinander), aber auch zwischen den Fällen und alten und neuen Daten. Das Kontrastieren der Daten soll dazu führen, sie besser zu verstehen.
Konzeptionalisierung
Die Kategorien, die durch den Kodier-Prozess entstanden sind, können nun abstrahiert und in Verbindung gesetzt werden. So entsteht hoffentlich ein in sich schlüssiges Konzept.
Die Bestandteile des Konzepts werden nun nicht Fall-spezifisch benannt und erklärt, sonder abstrakt. Schließlich soll eine Theorie anwendbar für zukünftige Forschung und andersartige Fälle und Phänomene sein.
Memos
Während des Forschungsprozesses können sogenannte Memos geschrieben werden. Sie beinhalten alle Schritte des Vorgehens und eigene Überlegungen, entdeckte Muster und Gedanken, die während der Analyse der Daten so anfallen. Ein solches Mini-Tagebuch hilft später bei der Beschreibung des methodischen Vorgehens (dieses ist besonders wichtig für die Beurteilung der wissenschaftlichen Arbeit!)
Methodisches Vorgehen #3
In diesem Teil möchte ich noch 2-3 Worte zum methodischen Vorgehen verlieren. Hier ist es wichtig zu verstehen, dass es kein richtig ode falsch gibt. Es gibt ein besser oder weniger gut geeignetes Vorgehen – das stimmt. Egal welcher Methodologie du folgst, als WissenschaftlerIn musst du Entscheidungen treffen.
Folge ich dem Kodierleitfaden XY, entwickle ich einen eigenen?
Berufe ich mich auf Mayring oder doch lieber Strauss und Corbin?
Kodieren
Ich möchte hier nicht im Detail in einzelne Methoden eintauchen, dafür schreibe ich mal gesonderte Artikel, wenn du magst. So wie hier: Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring.
An dieser Stelle kannst du dir folgendes merken: Die Grounded Theory erlaubt es, verschiedene Methoden anzuwenden. Jedoch solltest du anhand der Literatur begründen können, dass die jeweilige Methode für dein Forschungsvorhaben geeignet ist.
Gehe nicht auf eigene Faust vor, sondern folge einem Kodiervorgehen oder Analyseverfahren, dass sich in der Literatur bereits etabliert hat. Hier bringt es auch nicht so viel sich mal hier und mal dort zu bedienen, sondern sich festzulegen.
So, und wie entwickelst du nun eine Theorie?
Folgt man der Grounded Theory, dann sollte die Analyse nun interpretiert und die entstandenen Konzepte zu einer neuen Theorie zusammegepuzzelt werden. Das bedarf extrem Kenntnis der bestehenden Literatur. Hier die Kenntnis des bisherigen Wissenstandes stimmen, damit die neue Theorie damit in Zusammenhang gebracht werden kann.
Eine neue Theorie ist eine neue Linse, mit der die Realität (oder ein Teilbereich dessen) betrachtet wird. Hier muss sorgfältig argumentiert werden, warum die eigenen Ergebnisse das sinnvoll tun können.
Dieser Prozess ist nie zu Ende. Denn eine Theorie ist niemals endgültig bewiesen. Das heißt es werden immer wieder neue Daten erhoben, mit denen die Theorie getestet werden kann. Das können jedoch auch andere Wissenschaftler übernehmen.
Aber ist es für uns „Normalos“ überhaupt möglich, eine neue Theorie zu entwickeln?
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Anwendung im Studium #4
Erstmal sollte folgendes klar sein: Eine Theorie neu zu entwickeln ist verdammt schwierig. Nicht einmal Doktorarbeiten können das leisten (manche schon, aber es ist kein Kriterium). Wie sollst du dies also leisten? Sollst du gar nicht.
Die Grounded Theory ist ein Meta-Konzept, das über deiner Forschung schwebt. Dabei sollte nach Möglichkeit neue Theorie entstehen, aber das kann auch heißen, dass bestehende Theorie erweitert, bezweifelt oder problematisiert wird. Von dir wird also in keinster Weise verlangt, mit einer neuen, bahnbrechenden Theorie um die Ecke zu kommen.
Für deine eigenen wissenschaftlichen Arbeiten gilt:
Je mehr du die Entscheidungen innerhalb deiner Forschung anhand von Literatur begründen kannst, desto besser. Verwende diejenige Methode, in der du Erfahrung hast.
Und wenn du sie neu lernst, dann arbeite dich ein und werde exzellent darin. Übe sie in eine Hausarbeit. Dann in noch einer. Dann kannst du in der Abschlussarbeit auf deinem Wissen aufbauen und musst nicht bei Null anfangen. Dieser Tipp ist wirklich gold wert:
Verwende eine Methode in deiner Abschlussarbeit, die du bereits kannst.
Stell dir vor, du könntest bei einem 100-Meter-Sprint mit 10 Metern Vorsprung loslaufen. Wäre doch nicht schlecht, oder?
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9 Gedanken zu „Grounded Theory Methodologie einfach erklärt (Qualitative Sozialforschung)“
Zentrale und parallel ablaufende Schritte der GTM nach Strauss und Corbin (1996) sind: das Stellen von generativen Fragen an das Material (Wer? Wann? Wo? Was? Wie? Wieviel? Warum?), Herstellen von Zusammenhangen zwischen den sich entwickelnden Kategorien im Hinblick auf eine konzeptuell dichte Theorie, kontrastive Vergleiche von Phanomenen, Beachten der Relevanz des Kodierens, Anstreben einer Integration (Was ist der Kern der Theorie? Identifizierung der Schlusselkategorie(n)), Erstellen von Theorie-Memos sowie das Nutzen des Kodierparadigmas.
Wie das Zitat eingangs zeigt, kann mit Grounded Theory Unterschiedliches gemeint sein, denn man unterscheidet hierbei zwischen der Methodologie und der Methode. Die Methodologie, im Sinne eines Forschungsstils, stellt spezielle Anforderungen an den Forschungsprozess, die im Folgenden erortert werden. Will man die Grounded Theory als Methode der Auswertung verwenden, so bieten sich bestimmte Verfahrensweisen an, auf die ebenfalls eingegangen wird. Nach der Darstellung des Kodierprozesses, werden Ihnen einige Fragen bereitgestellt, die Ihnen dabei helfen konnen, den Forschungsprozess zur Theorieentwicklung zu uberprufen.
Vielen Dank für den hilfreichen Artikel, auch das Video zu Grounded Theory ist super!
Eine Rückfrage habe ich noch: habe ich das richtig verstanden, dass ich die Grounded Theory als Forschungsmethodologie für meine Arbeit verwenden kann und dann für die Kodierung der Daten und deren Auswertung als Methodik die Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring anwenden kann? Das bedeutet ich muss die Auswertung nicht zwingend nach bspw. Strauss/Corbin durchführen und damit weiter bei der Grounded Theory auch in der Auswertungsmethodik bleiben?
Vielen Dank für deine Rückmeldung und viele Grüße,
Anja