Wissenschaftliche Methoden

Thematische Analyse nach Braun und Clarke (6-Schritte Tutorial)

Thematische Analyse nach Braun und Clarke

Du bist auf die Thematische Analyse nach Braun und Clarke (2006) gestoßen und möchtest wissen, was es damit auf sich hat?

Gar kein Problem.

In diesem Artikel lernst du:

  • Die 6 Schritte der Thematischen Analyse nach Braun und Clarke
  • Welche unterschiedlichen Typen der Thematischen Analyse es gibt
  • Was der Unterschied zwischen der Thematischen Analyse und einer qualitativen Inhaltsanalyse ist
  • Für welche Forschungsvorhaben sich die Thematische Analyse besonders gut eignet

Nach diesem Artikel bist du also nicht nur um eine Methode in deinem Werkzeugkasten reicher, sondern weißt auch wann du welche am besten einsetzt.

Die Thematische Analyse nach Braun und Clarke (2006)

Die thematische Analyse ist eine der beliebtesten qualitativen Forschungsmethoden überhaupt. Seit Braun und Clarke ihr Paper „Using Thematic Analysis in Psychology“ in 2006 veröffentlichten, wurde es über 150.000 Mal zitiert. Die Methode ist also weit über die Grenzen der Psychologie bekannt geworden und wird in diversen Disziplinen angewendet.

Die Gründe, warum die Thematische Analyse so beliebt ist, sind vielfältig. Es handelt sich, anders als bei der Grounded Theory, um eine konkrete Methode und keinen methodologischen Ansatz. Das bedeutet, dass es konkrete Schritte für die Durchführung gibt und diese klar und deutlich formuliert wurden.

Darüber hinaus bietet die Thematische Analyse dennoch eine gewisse Flexibilität, was für qualitative Herangehensweisen wichtig ist.

Die Methode hat sich im Vergleich zu 2006 nur minimal weiterentwickelt, das heißt die Anleitung von Braun und Clarke ist noch immer gut zu gebrauchen.

Seitdem unterscheiden die beiden jedoch zwischen 3 verschiedenen Arten der Thematischen Analyse. Das lag daran, dass die Methode teilweise ganz anders interpretiert wurde, als die beiden sich das ursprünglich gedacht hatten.

Die 3 Arten sind die Folgenden:

Die Reflexive Thematische Analyse

Das ist die Methode, wie sie Braun und Clarke im Sinn hatten. Sie basiert auf einer konstruktivistischen Denkweise, d.h. subjektive Interpretationen der Daten stehen im Vordergrund.

Die Positivistische Thematische Analyse

Bei dieser Variante berechnen die Forschenden Personen ein Reliabilitätsmaß, um zu überprüfen, ob Übereinstimmung zwischen ihnen herrscht. Diese Variante unterliegt einer positivistischen Denkweise und ist nicht ganz das, was die beiden sich ursprünglich gedacht hatten.

Thematische Analyse mit Codebuch

Diese dritte Variante ist weder das eine noch das andere Extrem. Hierbei wird mit einem Codebuch gearbeitet, das vordefinierte Kategorien enthalten kann, aber auch spontan erweitert werden kann.

Thematische Analyse nach Braun und Clarke

Was ist ein „Thema (=Theme)“?

Die Übersetzung ins Deutsche macht hier nicht so viel Sinn. In der Thematischen Analyse geht es darum, sogenannte „Themes“ zu generieren. Das deutsche Wort „Thema“ passt aber nicht als Übersetzung, deshalb verwende ich das englische Wort.

Ein Theme ist entweder…

…eine Zusammenfassung des Inhalts

oder

…ein zentrales Konzept, welches die Bedeutung ähnlicher Inhalte zusammenfasst.

Themes können nicht im Inhalt entdeckt oder gefunden werden. Sie müssen von dir generiert werden.

Die 6 Schritte der Thematischen Analyse nach Braun und Clarke (2006)

Was jetzt folgt sind die 6 Schritte der reflexiven Thematischen Analyse, wie sie in Braun und Clark (2006) vorgeschlagen werden.

#1 Mache dich mit den Daten vertraut

Transkribiere als erstes deine Daten, falls du sie in Audio oder Video-Format vorliegen hast.

Lies dann den gesamten Datensatz zwei mal von vorne bis hinten durch. So bekommst du einen guten Überblick über dein gesamtes Material. Das ist besser, als mit der Auswertung eines Transkripts zu beginnen, ohne den Rest zu kennen.

Versuche dich vollständig in die Situation, die in den Transkripten beschrieben wird, hineinzuversetzen. Behalte dabei aber immer eine analytische Perspektive.

Mache dir beim Lesen Notizen. Du kannst dir auch Notizen machen, wenn du gerade frisch ein Interview geführt hast oder bei einer Firma vor Ort warst. All deine Notizen sind nur für dich, du musst sie später nicht teilen. Sie helfen dir aber später bei der Auswertung.

Schreibe in den Notizen auf, was deine ersten Reaktionen sind. Das kann sowohl analytisch aber auch ganz intuitiv sein.

#2 Generiere die ersten Codes

Jetzt geht es ans Kodieren. Die Codes die dabei entstehen sind Kategorien, aber noch keine Themes!

Thematische Analyse nach Braun und Clarke

Was sind Kategorien?

Versuche all deine Daten möglichst nach dem gleichen Schema zu kodieren. Finde also Kategorien auf einem gleichbleibenden Abstraktionsniveau.

Ein Beispiel für eine Kategorie wäre „Demokratische Entscheidungsfindung im Team“.

Eine Kategorie die auf dem gleichen Level ist, könnte sein „Offene Diskussion über die Integration neuer Technologien“.

Zwei Kategorien die nicht auf dem gleichen Level sind, könnten „Hierarchie“ (zu abstrakt) oder „wöchentliche Meetings in denen Personalentscheidungen getroffen werden“ (zu wenig abstrakt).

Bei den Kategorien kannst du ruhig eine erste Interpretation wagen, wie beispielsweise „demokratische Entscheidungsfindung“. Das stand so nicht in den Daten, sondern hast du interpretiert.

Wobei helfen die Kategorien?

Die Kategorien reduzieren deine Datenmenge und fassen gleiches mit gleichem zusammen.

Wichtig für die Thematische Analyse nach Braun und Clarke ist es, dass du nicht ALLES codierst, sondern nur Kategorien bildest, die auch interessant für deine Forschungsfrage sind.

In den Daten wirst du viele Abschnitte finden, die einfach nicht interessant sind und dir nicht bei der Beantwortung deiner Forschungsfrage helfen. Diese Abschnitte musst du dann auch nicht kodieren.

Die Bezeichnung deiner Kategorien sollte so gewählt sein, dass sie genau das beschreiben, was daran für deine Frage interessant ist. Eine Kategorie muss nicht aus einem Wort bestehen, sondern kann auch etwas länger sein (3-6 Wörter)

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Wie kodiert man?

Du kannst entweder digital mit einer Software wie MAXQDA arbeiten oder mit Stift und Klebezetteln arbeiten. Ich bin eher der Software-Typ. Aber da hat jede:r seine eigenen Vorlieben.

Ich werde demnächst noch ein separates Tutorial und einen Artikel zum Thema Kodieren machen. Sobald es online ist, werde ich es an dieser Stelle verlinken.

Auch während des Kodierens kannst und sollst du dir weiterhin Notizen machen, die du später noch gebrauchen kannst.

#3 Generiere die ersten Themes

Die reflexive Thematische Analyse nach Braun und Clarke funktioniert induktiv. Deine Themes sollen ausschließlich auf Basis deiner Daten und an dieser Stelle auf Basis deiner Codes entstehen.

Gruppiere jetzt die Codes. Welche passen inhaltlich zusammen? So entstehen Cluster mit Kategorien. Jedes Cluster wird dann zu einem Theme.

Hier kannst du auch mit Mind Maps arbeiten und die Cluster visuell ausarbeiten. Es ist auch möglich, dass du in einem größeren Cluster noch kleinere Cluster hast („Subthemes“). Mache es aber nicht zu kompliziert.

Am Ende sind 3 bis 6 Themes eine gute Menge, mit der man arbeiten kann.

Vermeide thematische Eimer („Buckets“)

Der größte Fehler beim Kodieren aber auch dem Generieren von Themes ist das Verwenden von sogenannten „Buckets“. Ein klassische Bucket ist sowas wie „Vorteile“, „Nachteile“, „Hürden“ und „Herausforderungen“. Diese gilt es unbedingt zu vermeiden.

Thematische Analyse nach Braun und Clarke

#4 Überprüfe deine Themes

Wenn du mit allen Themes fertig bist, erstelle noch mal eine finale Mindmap mit allen Themes, eventuellen Subthemes und den Kategorien.

Überprüfe ob alles zusammen ein schlüssiges Gesamtbild ergibt und die Inhalte der Daten gut widerspiegelt. Frage dich bei jedem Theme:

  • Ist das mehr als eine Kategorie?
  • Fasst dieses Theme mehrere Kategorien zusammen?
  • Was sagt das Theme über die Forschungsfrage aus?
  • Gibt es Überlappungen zwischen den Themes?
  • Gibt es genügend Daten, die das Theme stützen?
  • Ist das Theme zu breit oder zu konkret?

Wenn du bei diesen Fragen auf Probleme stößt, wie z.B. zwei überlappende Themes, dann gehe einen Schritt zurück und formuliere die Themes um oder ordne das Gebilde neu an.

Die Thematische Analyse nach Braun und Clarke verläuft nicht linear, sondern du kannst jederzeit vor und zurück.

#5 Definiere und benenne deine Themes

Schreibe für jedes Theme eine genaue Beschreibung auf. Diese sollte 5 bis 6 Sätze umfassen.

Lege dich außerdem auf eine endgültige Bezeichnung fest.

Wenn du Probleme bei der Beschreibung oder der Bezeichnung hast, dann ist das meistens ein Zeichen dafür, dass das Theme noch nicht eindeutig genug ist. In diesem Fall gehe wieder einen oder zwei Schritte zurück und überlege neu.

#6 Schreibe deine Ergebnisse auf

Der letzte Schritt ist das Schreiben deines Reports. In den meisten Fällen ist das eine wissenschaftliche Arbeit. Das ist jetzt der Schritt in dem du deine Ergebnisse mit vorhandener Literatur verknüpfst und Motivation, Forschungsfrage, Ergebnisse und Diskussion aufeinander abstimmst.

In deinem Methodenkapitel zitierst du natürlich Braun und Clarke und erklärst, wie du bei deiner thematischen Analyse vorgegangen bist. Hier unterscheidet sich die thematische Analyse nicht von anderen Methoden und folgt der üblichen Struktur einer wissenschaftlichen Arbeit.

Im Ergebnisteil berichtest du zuerst alle Themes auf einen Blick und gehst dann auf jedes einzelne Theme genauer ein. Dazu stellst du Zitate aus deinen Daten bereit, die sinnbildlich für das jeweilige Theme stehen.

Lasse dabei ruhig die Zitate für sich selbst sprechen. Sie können auch etwas länger sein. Eine Aneinanderreihung von Zitaten reicht natürlich trotzdem nicht. Zwischen ihnen musst du deine Interpretation aufschreiben und die Verbindung zwischen den Daten und dem Theme herstellen.

Was ist der Unterschied zwischen der Thematischen Analyse nach Braun und Clarke und der Qualitativen Inhaltsanalyse?

Diese Frage zu Beantworten ist nicht so leicht. Es ist einfach der Ansatz den Braun und Clarke vorschlagen, der aus ihrer Sicht geeignet ist um qualitative Daten systematisch Auszuwerten.

Bei der qualitativen Inhaltsanalyse gibt es ja auch eine Variante nach Mayring, eine nach Kuckartz und noch ein paar mehr. Sei dir bewusst, dass die qualitative Inhaltsanalyse etwas ist, was vor allem im deutschsprachigen Raum bekannt ist.

In der englischsprachigen Literatur ist die „thematic analysis“ deutlich bekannter, als eine induktive content analysis.

Das Vorgehen ist natürlich sehr ähnlich und unterscheidet sich in ein oder zwei Schritten oder deren Bezeichnung. Wenn du deine Methode wählst, denke auch daran, wer die Zielgruppe deiner Forschung ist.

Schreibst du eine Abschlussarbeit in deutscher Sprache ist vielleicht die qualitative Inhaltsanalyse besser geeignet, denn wie du gemerkt hast, ist das Übersetzen von Themes und Buckets etwas umständlich.

Wenn du aber an einem Paper schreibst, dass du bei einer internationalen Konferenz für Human-Computer-Interaction einreichen willst, dann wirst du dort mit der Thematischen Analyse nach Braun und Clarke mehr Erfolg haben, als mit einer Mayringschen Inhaltsanalyse.

Wenn du auf dem Weg zu mehr Erfolg im Studium noch ein wenig Starthilfe für deine wissenschaftliche Arbeit benötigst, dann habe noch ein PDF für dich, das du dir gratis herunterladen kannst:

Die 30 besten Formulierungen für eine aufsehenerregende Einleitung


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