Wissenschaftliche Methoden

Soziale Netzwerkanalyse (einfach erklärt)

Soziale Netzwerkanalyse

Was ist eine Soziale Netzwerkanalyse? Du hast bestimmt schon mal in Zeitungsartikeln oder wissenschaftlichen Papern diese bunten Netzwerkgraphen gesehen. Sieht nach ganz schön viel Aufwand auf, um so etwas zu erstellen. Oder etwa nicht?

Nein, auch ohne große Programmierkenntnisse oder teure Software kannst du eine solche Analyse durchführen.

Wenn du wissen möchtest, wie das geht – dann solltest du jetzt deinen Bleistift spitzen und dir Notizen machen.

Denn in diesem Artikel erkläre ich dir alles über die Soziale Netzwerkanalyse – wo sie herkommt, wozu sie gut ist und wie du sie anwendest. Diese fünf Bereiche werde ich erläutern:

  • Netzwerk-Theorie
  • Anwendungsfelder der Sozialen Netzwerkanalyse
  • Datensammlung
  • Datenanalyse und Visualisierung
  • Übersicht der besten Software-Tools

Nach diesem Artikel hast du außerdem alle Links und weiterführenden Informationen beisammen und kannst deine erste Soziale Netzwerkanalyse durchführen.

#1 Netzwerktheorie

Um die Soziale Netzwerkanalyse zu verstehen, müssen wir uns erst der theoretischen Basis bewusst werden. Die Netzwerktheorie ist ein Teil der Graphentheorie.

Bei der Netzwerktheorie geht es grob gesagt um die Beziehungen zwischen bestimmten Objekten. Im Kontext der Sozialen Netzwerkanalyse sind die Objekte meistens Soziale Akteure. Diese Beziehungen und Objekte werden mittels eines Graphen dargestellt.

Das Grundlagenwerk, das die Basis für alles was folgt darstellt ist „Social Network Analysis: Methods and Applications“ von Stanley Wasserman und Katherine Faust aus 1994.

Knoten und Kanten

Ein Objekt ist ein sogenannter Knoten (oder auf Englisch „node“ oder „vertex“). Die Beziehung zwischen zwei oder mehr Knoten wird durch Kanten repräsentiert (auf Englisch „edges“).

Eine Beziehung kann ungerichtet oder gerichtet sein. Stellen wir uns mal vor, unser Netzwerk stellt die Beziehungen zwischen Instagram-Accounts von berühmten Politikern und Politikerinnen dar. Die Knoten sind die Personen und die Kanten sind die Follower-Beziehungen.

Wenn Angela Merkel Barack Obama folgt, aber der ihr nicht zurück, dann liegt hier eine gerichtete Kante vor, die von Angela auf Barack zeigt. Das wird meist mit einem kleinen Pfeil dargestellt. Angela ist dann der Startknoten und Barack der Endknoten.

Wenn Barack zusätzlich noch Donald Trump folgt, aber Angela nicht, dann ist Barack ein Nachbarknoten (Englisch: adjacent) von Angela und Donald. Donald ist aber kein Nachbar von Angela.

Zentralitätsmaße

Wenn du dich nun einem etwas größeren Netzwerk gegenüber siehst, möchtest du vielleicht bestimmte Eigenschaften einzelner Knoten wissen oder herausfinden, welche Knoten besonders wichtig sind oder eine bestimmte Funktion im Netzwerk übernehmen.

Dazu kannst du sogenannte Zentralitätsmaße berechnen.

Soziale Netzwerkanalyse

Dichte („density“)

Neben den Zentralitätsmaßen für einzelne Knoten gibt es auch noch Maße, die das gesamte Netzwerk beschreiben. Hier möchte ich dir nur mal die Dichte (Englisch: „density“) vorstellen. Sie gibt an, wie viele Kanten im Netzwerk, im Verhältnis zur maximal möglichen Anzahl an Kanten, zu finden sind.

Das bedeutet zum Beispiel, wie viele Instagram-User unsere Politiker-Stichprobe sind miteinander verbunden im Vergleich zu dem Fall, dass alle miteinander verbunden wären. Wenn alle Knoten miteinander verbunden sind, wäre die Dichte 1, also 100%. Du bekommst also für die Dichte immer einen Wert zwischen 0 und 1 heraus, wenn du sie berechnest.

Grad („degree centrality“)

Dieses Maß gibt an, wie viele Kanten ein Knoten hat. Hat Angela Merkel 9 Beziehungen, dann ist der Grad des Knotens 9.

Bei gerichteten Graphen unterscheidet man zwischen eingehenden Kanten (Englisch: „indegree“) und ausgehenden Kanten (Englisch: „outdegree“)

Nähe („closeness centrality“)

Dieses Maß gibt die durchschnittliche Länge des kürzesten Weges zwischen einem Knoten und allen anderen Knoten an. So lässt sich eine Aussage darüber treffen, wie zentral der Knoten im gesamten Netzwerk positioniert ist.

Also über wie viele Kontakte muss Angela Merkel durchschnittlich gehen, um zu bestimmten PolitikerInnen zu gelangen? Je weniger, desto zentraler ist sie im Netzwerk.

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Betweenness-Zentralität

Dieses Maß gibt an, wie oft ein Knoten auf dem kürzesten Pfad zwischen zwei Knoten liegt. Knoten die eine hohe Betweenness-Zentralität haben liegen oft zwischen zwei oder mehreren Clustern von Knoten und bilden sozusagen eine Brücke zwischen ihnen.

Eigenvektor-Zentralität

Dieses Maß gibt an, wie wichtig die Nachbarn eines einzelnen Knoten sind. Je mehr wichtige Nachbarn, desto höher der Wert.

Das beste Beispiel für dieses Maß ist Google’s PageRank Algorithmus. Dieser folgt der Regel, dass eine Webseite umso besser in der Suche gelistet wird, je mehr wichtige Seiten auf sie verlinken.

Das heißt, wenn ich auf shribe.de einen Blogartikel habe und dieser wird von ard.de, business insider und der WHO auf ihren Seiten verlinkt, dann ist das besser als wenn 2 Lokalzeitschriften und eine noch unbekannte Bloggerin auf ihn verlinken.

#2 Anwendungsfelder der Sozialen Netzwerkanalyse

Die soziale Netzwerkanalyse hat eigentlich zwei große Anwendungsfelder. Das erste ist die Wissenschaft.

Die Soziale Netzwerkanalyse in der Wissenschaft

Hier ist theoretisch jede Disziplin der Sozialwissenschaften denkbar. Aber auch darüber hinaus. Zum Beispiel gibt es auch die Möglichkeit mit einer Netzwerkanalyse die Zitations-Beziehungen zwischen Papern, Universitäten und WissenschaftlerInnen zu analysieren und darzustellen. Wie z.B. hier in diesem Beispiel:

Zitations-Netzwerk aus Stieglitz et al. (2018)

Am häufigsten wird man Soziale Netzwerkanalysen aber vermutlich in der Politikwissenschaft, der Kommunikationswissenschaft und der Soziologie finden.

Die Soziale Netzwerkanalyse im Journalismus

Darüber hinaus macht sich der Datenjournalismus häufig die Methode der Sozialen Netzwerkanalyse zu Nutze. Hier ein Beispiel vom Blog Netzpolitik.org zum Thema YouTube Kanäle und Corona.

#3 Datensammlung für eine Soziale Netzwerkanalyse

Die Basis um überhaupt eine Soziale Netzwerkanalyse durchführen zu können sind Daten. Diese werden in den meisten Fällen durch Web-Scraping oder eine API-Schnittstelle gewonnen, wenn es sich um Online-Forschung handelt.

Zum Üben gibt es in den Weiten des Internets aber gaaaaaanz viele Datensätze, die frei verfügbar sind. Schau mal in meinem Video um Thema Online-Forschung vorbei. Dort habe ich eine Liste mit 33 Datenbanken für Forschungsdaten verlinkt.

Daten müssen aber auch nicht immer automatisiert gewonnen werden. Es ist auch möglich, kleine Netzwerke zu bilden, indem du deine Daten manuell in einer Excel Liste eingibst oder sonst irgendwie digitalisierst. Wichtig ist nur, dass die Daten aufeinander verweisen, z.B. mit einer ID für jeden Knoten. Nur so kann eine Software später ein Netzwerk darstellen.

#4 Datenanalyse und Visualisierung

Womit wir auch schon bei der Analyse sind. Die besten und wichtigsten Tools, um eine Soziale Netzwerkanalyse durchzuführen sind R und Gephi.

Beide Programme kannst du kostenlos herunterladen und nutzen. Bei R brauchst du eine gewisse Einarbeitungszeit, weil du hier die Befehle der Programmiersprache lernen bzw. nachschlagen musst.

Wenn du gänzlich auf Programmiersprachen verzichten willst, dann würde ich zu Gephi greifen. Diese Software hat ein vollständiges grafisches User-Interface und du kannst alle möglichen Dinge rund um die Soziale Netzwerkanalyse anstellen.

Eine Soziale Netzwerkanalyse mit sehr großen Datensätzen braucht relativ viel Rechenpower. Damit dein PC oder Laptop nicht an seine Grenzen stößt und sich Gephi aufhängt, solltest du deine Daten vorher filtern oder auf eine Virtuelle Maschine zurückgreifen.

Die nächsten Schritte, um mit deiner ersten Sozialen Netzwerkanalyse zu starten wären folgende:

  • In Wasserman & Faust (1994) schmökern
  • Einen Datensatz zum Üben besorgen
  • YouTube Tutorials zu R oder Gephi schauen bis zum Umfallen
  • Facebook-Gruppen beitreten, in denen du Fragen stellen kannst
  • Learning-by-doing

Und nicht vergessen: Spaß haben! 🙂

Wenn du auf dem Weg zu mehr Erfolg im Studium noch ein wenig Starthilfe für deine wissenschaftliche Arbeit benötigst, dann habe noch ein PDF für dich, das du dir gratis herunterladen kannst:

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