Ein Auslandssemester hier, ein Praktikum da – und dann kam noch dieser blöde Drittversuch dazu – ehe du dich versiehst hast du deine Regelstudienzeit überschritten.
Aber wie schlimm ist das überhaupt?
Um dieser Frage mal etwas genauer nachzugehen, habe ich in diesem Artikel 3 Fallbeispiele für dich. Anhand dieser Beispiele möchte ich dir verschiedene Wege aufzeigen, wie du mit dem Thema Regelstudienzeit umgehen kannst und was das jeweils für Folgen haben kann. In einem Bonus-Fallbeispiel werde ich auch meinen eigenen Werdegang reflektieren.
Mit dem Wissen aus diesem Video wird es dir leichter fallen, deinen künftigen Studienverlauf zu planen und eventuell deine Vorstellung vom Konzept der Regelstudienzeit grundlegend zu überdenken. Denn mit der vorherrschenden Einstellung, welche die meisten gegenüber der Regelstudienzeit haben, wirst du die größte Chance die dir das Studium bietet, verpassen.
Inhaltsverzeichnis
Regelstudienzeit überschritten – Ist das schlimm?
Bei Antritt deines Studiums bekommst du als erste Maßnahme oft einen Studienverlaufsplan vor den Latz geknallt. Dieser sieht vor, dass die Regelstudienzeit für einen Bachelorstudiengang 6 oder bei technischen Fächern auch mal 7 Semester beträgt. Für Jura oder Medizin auch gerne mal noch mehr.
Dein erster Gedanke ist: Wow, Ok – dann versuche ich mal mich dran zu halten.
Spätestens nach der zweiten Prüfungsphase folgt die erste Standortbestimmung. Bin ich noch im Zeitplan? Was müsste ich im nächsten Semester schaffen, um noch in der Regelstudienzeit zu bleiben?
Kurzum: Die Regelstudienzeit wird zum bestimmenden Element deiner Zielsetzung.
Läuft etwas mal nicht nach Plan, wie z.B. eine Wiederholungsklausur oder ein nicht mehr angebotenes Seminar, bekommst du Panik. Deine Regelstudienzeit ist in Gefahr!
Warum diese Einstellung toxisch für deinen Erfolg im Studium ist und welche Ziele du anstelle der Regelstudienzeit eher priorisieren solltest, werden wir nun anhand der drei Fallbeispiele erarbeiten.
Fallbeispiel #1 Der Langzeitstudent
Das ist Christian.
Christian ist Anfang 30 und studiert im sechzehnten Semester. Seit vier Semestern ist er im Master. Er ist alles andere als faul. Er engagiert sich in der Hochschulpolitik und Vorsitzender der Fachschaft. Er organisiert die Ersti-Wochen, die Grillabende und das Glühweintrinken.
Er ist super beliebt, kommt gut an und hat eine ziemlich reflektierte Meinung zu allen Dingen. Er ist belesen, intelligent und interessiert. Aber irgendwie beschleicht einen immer das Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt. Wieso steckt er nicht mehr Arbeit in sein Studium, damit er es so langsam mal abschließen kann?
Christian ist ein klassischer Langzeitstudent.
Er hat seine Regelstudienzeit überschritten – und zwar deutlich.
Ich bin kein Psychologe und auch kein Richter. Christian hat jedes Recht dazu, sein Studium auch noch bis ins zwanzigste Semester zu ziehen. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass Christian sich keinen Gefallen damit tut. Hier sind meine Gründe:
- Die Angst vor der Veränderung wird mit jedem Semester größer
- Ein Studium ist eine Phase, die einen Anfang und ein Ende braucht – nur so entsteht Spannung
- Mehr als 30% Überschuss verglichen mit der Regelstudienzeit signalisieren große Unentschlossenheit
- Für die persönliche Entwicklung fehlt ein neuer Reiz
- Das Fehlen von Zielen führt zu Irrtum
Christian gibt es übrigens wirklich. Er ist ein feiner Kerl, so viel steht fest. Als ich kam, war er da. Und als ich ging, war er noch immer da. Ich frage mich, was er heute macht.
Fallbeispiel #2 Die talentierte Überfliegerin
Das ist Cigdem.
Cigdem ist Anfang 20 und hat in einem halben Jahr ihren Master in der Tasche. Mit 18 Abi gemacht, mit 21 den Bachelor abgeschlossen und mit 22 schreibt sie nun an ihrer Masterarbeit. Alles in Regelstudienzeit. Wow!
Wie konnte das passieren?
Nach dem Abi sind zwei ihrer Freundinnen erstmal ein Jahr nach Australien, Koala-Bären füttern. Sie wusste allerdings schon immer, was sie mal studieren wollte. Es war ihr absoluter Traum. Dank des sehr guten Abi-Schnitts hatte sie keine Probleme einen Studienplatz in ihrer Heimatstadt zu finden.
Das hatte den Vorteil, dass sie zuhause wohnen bleiben konnte. Ihre Eltern arbeiten hart und sie ist die älteste von 4 Geschwistern. Sie ist die erste, die in ihrer Familie eine akademische Ausbildung genießen darf und ist mächtig stolz. Sie bekommt den Bafög-Spitzensatz von monatlich 861 Euro.
Während ihre KommilitonInnen, die ihre Wohnungen finanzieren müssen zwei Mal die Woche und in den Semesterferien als Aushilfe arbeiten, kann sie sich zurücklehnen. Sie muss keine Miete zahlen und hat 861 Euro zur Verfügung – besser geht’s nicht.
Cigdem ist eine klassische Überfliegerin.
Wie bei Christian ist auch hier folgendes geboten: Solltest du dich in Cigdem wiedererkennen, bitte verstehe das nicht als Affront. Was Cigdem leistet, ist aller Ehren wert. Dennoch habe ich auch hier Zweifel, dass diese Herangehensweise an ein Studium optimal ist. Das sind die Gründe:
- Cigdem verpasst die Chance, die wichtigste Fähigkeit überhaupt zu lernen, die ein Studium bietet: Selbstständigkeit.
- Bis zu ihrem Abschluss hat sie noch nie gearbeitet
- Bis zu ihrem Abschluss war sie noch nie länger als 2 Wochen woanders als in ihrer Heimatstadt
- Durch ihr Ziel, das Studium in Regelstudienzeit abzuschließen, hat sie Chancen auf Praktika und Auslandssemester verstreichen lassen
Cigdem ist übrigens frei erfunden. Aber ich bin mir sicher, du kannst dir etwas unter ihrer Persona vorstellen.
Fallbeispiel #3 Der Karriere-Kapitalist
Das ist Cal.
Cal ist Professor, Blogger und Bestseller-Autor. In seinem Buch „So good they can’t ignore you“ hat er das Konzept des Karriere-Kapitals eingeführt.
Ich weiß, sowohl das Wort Karriere und auch das Wort Kapital sind oft negativ konnotiert. Aber glaub mir, das Konzept ist so wertvoll, dass du dich von der Bezeichnung auf keinen Fall abschrecken lassen darfst.
Definieren wir Karriere einfach als deinen persönlichen professionellen Werdegang. Ob das jetzt eine Karriere bei Beratungsunternehmen, als selbstständige digitale Nomadin oder als Regionalpolitiker mit Engagement bei einer NGO ist – völlig egal. Für alle greift das Konzept.
Kapital definieren wir in diesem Fall als deine Fähigkeiten und dein Wissen, das du dir während deines Studiums aneignest. Kapital ist bei Weitem nicht immer ökonomischer Natur.
Das Karriere-Kapital ist also die Gesamtheit deiner Fähigkeiten und deines Wissens, welche dir auf deinem persönlichen professionellen Werdegang behilflich ist.
Nun aber zurück zu Cal. Er schlägt vor, sich im Studium darauf zu fokussieren, möglichst viele Fähigkeiten und Wissen zu generieren. Kann dabei die Regelstudienzeit überschritten werden? Natürlich! Die ist dabei völlig zweitrangig. Also wirklich. Völlig egal.
Wenn du noch nicht weißt, wie du deinen Werdegang gestalten möchtest, dann ist das überhaupt kein Problem. Im Gegenteil. Es macht es dir sogar um einiges leichter. Denn so kannst du dich auf die Akkumulation generalistischer Fähigkeiten (und Wissen) konzentrieren.
So hast du hinterher mehr Optionen bei der Ausgestaltung deines Werdegangs, als wenn du dir sehr früh, sehr spezifisches Expertenwissen aneignest und dann nur diese eine Karriere infrage kommt. Eine Neu-Orientierung wird dann immer schwieriger und schmerzhafter.
Hier nun ein paar Beispiele generalistischer Fähigkeiten:
Rhetorik
Kommunikation ist das A und O. Wenn du Leute bewegen möchtest, egal in welcher Art von Karriere, dann profitierst du davon, wenn du gut kommunizieren kannst. Achte dabei darauf, was du für ein Typ bist. Extrovertierte Personen profitieren meist von der Fähigkeit der freien Rede. Introvertierte Personen fühlen sich eventuell wohler mit dem geschriebenen Wort.
Wahre Meisterschaft in beidem ist unglaublich wertvoll.
Fremdsprachen
Sprachkurse an der Uni sind für dich völlig kostenlos. Oftmals bedeuten sie mehr Aufwand, wenn du z.B. Punkte für ein Studium Generale o.Ä. sammeln musst. Dafür bieten sie dir jede Menge Karriere-Kapital! Kombiniert mit einem Auslandssemester wirst du von deiner Fähigkeit, eine andere Sprache fließend zu sprechen, dein Leben lang profitieren.
Code und Softwarekenntnisse
Ob Menschen Computercode noch lange selber schreiben müssen, wage ich zu bezweifeln. Dennoch ist das Verständnis, wie Programmiersprachen funktionieren eine enorm wichtige Fähigkeit. Dabei ist es auch völlig egal in welchem gesellschaftlichen Bereich du aktiv sein möchtest. Die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche. Und wenn du verstehst, wie Code oder ein Algorithmus funktionieren, verstehst du auch deine Umwelt besser.
Persönlichkeitsentwicklung
Schon wieder ein Wort, bei dem viele gleich abschalten. Motivationstraining? Brauch ich nicht!
Nicht so schnell… Persönlichkeitsentwicklung ist auch wieder nur das, was du daraus machst. Für den einen bedeutet das Selbstoptimierungszwang und Quantified-Self. Für andere bedeutet es mehr Achtsamkeit und Spiritualität. Sei offen für Neues und schaue in jede Tür mal rein. Dort wo es dir gefällt, verweilst du dann ein bisschen länger.
Der beste Start ist immer das Lesen. Denn „Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn“ (Jorge Luis Borges)
Finanzen
Als Student hat man eh kein Geld. Gedanken über Geld kannst du dir also auch dann machen, wenn du anfängst welches zu verdienen. Falsch.
Genau das ist der Fehler. Finanzielle Bildung kann nicht früh genug geschehen. In der Schule oder der Uni lernen wir wirklich GAR nichts über Finanzen. Rhetorik, Fremdsprachen und Code bekommst du – wenn du Glück hast – ein bisschen mit in den Studienverlaufplan eingestreut, aber bei finanzieller Bildung ist das nicht der Fall.
„Geld bringt Sorgen, ob man es hat oder nicht.“ (Miguel de Cervantes Saavedra)
Was ist dir lieber?
Bonus-Fallbeispiel: Ich
Bei diesen neunmalklugen Tipps, die ich hier von mir gebe, müsste ich ja alles perfekt gemacht haben – oder was gibt mir das Recht dazu?
Perfekt gemacht habe ich im Laufe meines Studiums natürlich gar nichts. Und Perfektion ist auch niemals das Ziel. Eigentlich habe ich nur in Sachen Fremdsprachen alles richtig gemacht.
Obwohl ich es nicht musste, habe ich ab dem vierten Semester alle Hausarbeiten und Präsentationen auf Englisch geschrieben bzw. gehalten. Sofern es denn ging. Jetzt habe ich dadurch einen riesigen Vorteil in meinem Beruf.
Die anderen Bereiche habe ich zwar nicht vernachlässigt, habe aber ihnen aber auch nicht so viel Beachtung geschenkt, wie es mein Studium bzw. die Zeit drumherum es hergegeben hätte.
Heute weiß ich, wie viel mehr meine Auslandssemester mit viel leicht beschwipstem Englisch-Training, das auch noch Spaß gemacht hat, wiegt, im Vergleich zu einem Studium in Regelstudienzeit.
Ich habe nämlich 8 statt 6 und 5 statt 4 Semester studiert. Ich habe also meine Regelstudienzeit überschritten. Geschadet hat es mir überhaupt nicht.
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Regelstudienzeit überschritten – Das Fazit
Das Studium ist kein Rennen.
Der vermeintliche Vorteil, den du auf deinen Lebenslauf pinnen kannst, ist keiner. Wenn das Studium vorbei ist, zählt nur noch deine Persönlichkeit und welchen Wert du schaffen kannst.
Erlaube dir also 25% Extra auf deine Regelstudienzeit und versuche dich lieber weiterzuentwickeln, anstatt im Eiltempo deine ECTS zu horten. Von denen kannst du dir nichts kaufen. Hast du also deine Regelstudienzeit überschritten, ist das überhaupt kein Problem.
Wichtig ist, dass du der Regelstudienzeit nicht eine Priorität gibst, die sie nicht verdient. Das gilt im Übrigen auch andersherum. Das wäre bei mir zwar undenkbar gewesen, aber es soll tatsächlich Menschen geben, die von einem bestimmten Studium unterfordert sind. Auch dann macht es ja überhaupt keinen Sinn, sich mit Absicht lange Zeit zu lassen.
Setze dir Ziele für dein Studium.
Schaue dabei aber nicht nur auf die Dinge, die du laut Studienverlaufsplan erreichen kannst. Wenn deine Regelstudienzeit überschritten werden muss, damit du deine Ziele erreichst, dann ist das gut so. Wirf auch mal einen Blick nach rechts und links und finde die für dich beste Herangehensweise um das beste aus dieser schönen Zeit des Lernens machen kannst.
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