Wissenschaftlich Schreiben

Literatur finden: Die 5 größten Fehler bei der Literaturrecherche

Die 5 größten Fehler bei der Literaturrecherche

Du kannst einfach keine passende Literatur finden?

Das habe ich schon oft gehört.

Die Frage, die ich wohl am häufigsten zu diesem Thema gestellt bekommen habe, ist diese hier:

Das Thema, über das ich schreibe, ist so neu, es gibt einfach keine Literatur dazu. Was soll ich tun?

In diesem Artikel werden wir der Antwort auf diese Frage auf den Grund gehen. Dazu besprechen wir die 5 größten Fehler, die du bei deiner Literaturrecherche machen kannst.

Wenn du bis zum Ende dran bleibst, habe ich sogar noch ein Beispiel für dich, wie du ein Literaturkapitel zu einem Thema aufbauen kannst, auch wenn es auf den ersten Blick keine Literatur zu diesem Thema gibt.

#1 Zu eng gefasste Suchbegriffe

Der erste Fehler, den du machen kannst, ist es schlicht und einfach deine Suchbegriffe nicht richtig zu wählen. Die Ergebnisse einer Literaturrecherche können nur so gut sein, wie die Filtermechanismen, die du verwendest.

Um den ganzen Artikel etwas anschaulicher zu machen, bedienen wir uns eines einfachen Beispiels. Dazu brauchen wir ein Thema, das so neu ist, dass es dazu kaum oder wenig Literatur zu finden gibt.

Das Beispiel ist: Universal Wallets

Universal Wallets sind Aufbewahrungsorte für digitale Wertgegenstände. Vielleicht hast du ja sogar deine eigene Wallet, um darin Kryptowährungen oder NFT aufzubewahren.

In einer Universal Wallet kannst du nicht nur Coins und Tokens aufbewahren, sondern auch andere Dinge wie digitale Ausweisdokumente oder andere Nachweise deiner Identität.

Boolesche Operatoren

Für die Suche in Literaturdatenbanken kannst du einfach Suchbegriffe eingeben. Du kannst es aber auch professioneller angehen und Boolsche Operatoren verwenden.

Das ist ein absolutes Muss, wenn du in deiner wissenschaftlichen Arbeit dokumentieren willst, wie du deine Suche systematisiert hast. Das erhöht die Replizierbarkeit deiner Literatursuche.

Auch wenn du das nicht machst, können dir die Booleschen Operatoren eine Hilfe sein. Vor allem der „OR“ Operator. Beim Beispiel „Universal Wallets“ würdest du beim Suchbegriff „Universal Wallet“ in den meisten Datenbanken keine große Trefferanzahl bekommen.

In Google Scholar schon, denn hier kombiniert ein Algorithmus deinen Suchbegriff automatisch mit Synonymen und gibt dir auch die nächstbesten Ergebnisse.

Wenn du aber auf einer anderen Datenbank suchst, hilft dir das nichts. Über die Google Scholar Suchergebnisse bin ich aber auf Synonyme gekommen, nach denen ich so nie gesucht hätte.

Wireless Wallets, Cloud Wallets, Electronic Wallets, Hardware Wallets, Wallet System und Mobile Wallet scheinen verwandte Begriffe zu sein.

Daraus könntest du für deine Datenbanksuche den Suchstring

„wireless“ OR „cloud“ OR „electronic“ OR „hardware“ OR „mobile“ AND „wallet“

machen. Nach Wallet System müsstest du einzeln suchen oder mit Klammern arbeiten und dann den Begriff „wallet system“ mit integrieren. Das ist nur etwas umständlich, weil ja hier „wallet“ das erste und nicht das zweite Wort ist.

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Forward und Backward-Suche

Wenn die verfeinerte Datenbanksuche keinen Ertrag bringt, dann musst du erneut in die Trickkiste greifen. Mit einer Forward- und Backward-Suche findest du die Quellen, auf denen zumindest die paar Treffer, die du gefunden hast, aufbauen bzw. Quellen die diese danach zitiert haben.

Der beste Treffer zum Begriff Universal Wallet war das Paper „Universal Wallets“ von Jorgensen und Beck (2021). Für die Backward-Suche schauen wir uns einfach das Literaturverzeichnis an und schauen, was sich dort so finden lässt.

Aha. Ein Paper wird dort zitiert, welches den Begriff „Digital Wallet“ verwendet. Da hätte man ja auch so drauf kommen können.

Kommt man aber meistens nicht.

Sucht man nun nach „Digital Wallet“ bekommt man ohne Ende Treffer. Ein Digital Wallet ist natürlich nicht das was mit „Universal Wallet“ gemeint ist, aber es ist dennoch eine verwandte Technologie.

Es lässt sich also wunderbar auf dem Begriff „Digital Wallet“ aufbauen, um zu beschreiben was denn nun genau das Neue an einem „Universal Wallet“ ist und warum wir nicht einfach die Forschung zu Digital Wallets 1:1 darauf übertragen können.

#2 Unpassende Datenbanken um Literatur zu finden

Die Suchbegriffe sind das Eine. Doch wenn die Datenbank, auf der du suchst, einfach nicht genügend Quellen abdeckt, dann helfen dir auch die besten Suchbegriffe und Operatoren nichts.

Wenn du Datenbanken verwendest, dann in erster Linie die Datenbanken, in denen die Forschung deiner eigenen Forschungsdisziplin indexiert wird.

Ein Mediziner sucht auf PubMed, eine Informatikerin auf IEEE und ein Psychologe bei PsycNet. Doch manchmal lohnt es sich über die Grenzen einer Disziplin hinauszublicken.

Stelle also sicher, dass du auch mal übergreifende Datenbanken anschaust. Das könnte so etwas sein wie Google Scholar, Scopus oder Web of Science.

Oder aber du schaust direkt in einer anderen Disziplin, wenn du schon eine Idee hast, für wen dein Thema außerhalb deines Forschungsfelds noch interessant sein könnte.

Je mehr du mit deinen Datenbanken abdecken kannst, desto besser. Im schlimmsten Fall findest du dort nichts. Aber dann hast du es wenigstens probiert.

#3 Alter Wein in neuen Schläuchen

Beim Thema „Universal Wallets“ ist schon ein gewisser Unterschied zum Thema „Digital Wallets“ oder auch der guten alten Brieftasche vorhanden.

Bei anderen Begriffen mag das aber nicht immer der Fall sein.

Nehmen wir mal das Thema Digitale Transformation.

Der Begriff ist erst seit ein paar Jahren eine Art Trendthema und seitdem wird jede Menge dazu geforscht. Aber was ist denn eigentlich das Neue daran?

Gibt es nicht seit 50 Jahren das Phänomen, dass Unternehmen Technologie einführen, um ihre Prozesse zu verbessern?

Ja, gibt es. Und dazu gibt es auch jede Menge Forschungsliteratur. Die ist eben nur nicht unter dem Label „Digitale Transformation“ zu finden.

Wenn man aber nach „IT-enabled Organizational Transformation“ sucht, dann bekommt man einige Treffer aus dem letzten Jahrtausend!

Und diese Treffer sind vielleicht relevant für jemanden, der die Digitale Transformation untersuchen möchte.

Frage dich bei deinem Thema also: Ist das Thema wirklich so neu, wie der Begriff, der es beschreibt?

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#4 Zu viel Deskription

Fehler Nummer 4 beschäftigt sich mit dem Ziel, das du mit deiner Literatursuche verfolgst. Du möchtest einen Literaturteil zu deinem Thema schreiben und darin fleißig relevante Literatur zitieren.

Das ist im Ansatz auch nicht verkehrt.

Aber einen wirklich guten Literaturteil schreibst du, wenn du dein Ziel änderst.

Ein schlechtes Literaturkapitel gibt die Forschung zu einem Thema wieder, aber schafft es nicht, genügend relevante Literatur zusammenzutragen.

Ein mittelmäßiges Literaturkapitel schafft es, aber beschreibt lediglich, was zu diesem Thema erforscht wurde.

Ein fantastisches Literaturkapitel trägt relevante Literatur zusammen, erklärt was bisher gemacht wurde und kritisiert oder interpretiert was das heißt.

Fokussiere dich also gerade bei einem neuen Thema nicht zu sehr darauf möglichst jede einzelne Quelle zu finden und zu zitieren, die irgendwie zum Thema passt.

Versuche stattdessen, anhand einer Handvoll relevanter Treffer dein eigenes Argument zu entwickeln. Das könnte zum Beispiel sein, dass du den Unterschied des neuen Begriffs zum Existierenden erklärst.

Du könntest aber auch das Argument, welches du zur Motivation in deiner Einleitung verwendet hast, weiter ausbauen.

Ein Beispiel dafür schauen wir uns gleich am Ende des Videos gemeinsam an.

Literatur finden

#5 Krapfen statt Donut

Wenn du nicht gerade eine Systematische Übersichtsarbeit schreibst, dann ist Vollständigkeit kein Kriterium. Dein Literaturkäse kann also ruhig Löcher haben, solange du ein spannendes Argument entwickelst.

Wenn du aber eher auf süß stehst, dann versuche dir mal die Metapher eines Donuts vorzustellen.

Nehmen wir mal an, du hast mich überzeugt und dein Thema ist wirklich so neu, dass es dazu auch unter anderen Begriffen nur wenig Forschung gibt.

Was du dann tun kannst, ist es nicht nach dem Loch in der Mitte zu suchen, sondern dem Teig drumherum. Was sind die verwandten Begriffe und Phänomene zu deinem Thema?

Arbeite dich so durch die Datenbanken und sammle Literatur zu etwas allgemeineren Themen und Begriffen und nähere dich argumentativ immer weiter dem Loch des Donuts.

Beim Thema „Universal Wallets“ könntest du beim Thema Digital Wallets starten, dann erklären was Krypto-Wallets sind, und von dort aus beim Thema Universal-Wallets landen.

Ein Beispiel für ein Literaturkapitel zu einem „brandneuen“ Thema

Wie es der Zufall will, habe ich ein exzellentes Beispiel für dich gefunden. In ihrem Paper zum Thema „Universal Wallets“ haben Jörgensen und Beck das fast genauso auch gemacht.

Sie starten nicht mit dem Thema Digital Wallets, sondern direkt mit dem Thema Krypto-Wallets. So beginnen sie ihren Literaturteil. Wenn es dann zum Thema „Universal Wallets geht, zitieren sie weiterhin Literatur.

Aber wenn wir uns diese Mal genauer anschauen, stellen wir fest, dass diese Literatur überhaupt nichts mit dem Begriff direkt zu tun hat.

Das Kapitel ist ein einwandfreier Donut!

Die erste Quelle, die sie zitieren trägt den Titel „Digital Lifestyle“. Diese Quelle hat also eher im weiteren Sinne etwas mit dem Thema zu tun.

Danach zitieren die Autoren eine Quelle zum Thema „The Token Economy“ und „Identity Ecosystems“. Diese beiden Quellen sind schon näher am Thema „Universal Wallets“, aber keine davon bezieht sich direkt darauf.

Die weiteren Quellen drehen sich um „Blockchain Identity Management Systems“ und „The potential of blockchain in education and health care“.

Die letzte Quelle ist dann ein Bericht des World Wide Web Consortiums zum Thema „Universal Wallets“. Wenn die Wissenschaftliche Literatur noch nicht so weit ist, können auch mal Berichte aus der Industrie helfen.

An diesem Beispiel kannst du also wunderbar sehen, wie man ein Literaturkapitel zu einem Thema schreiben kann ohne eine einzige wissenschaftliche Quelle zu diesem Thema zu verwenden.

Ab sofort gilt also: „Mein Thema ist zu neu“ nicht mehr als Ausrede. Und wenn du jemanden triffst, der diese Ausrede in deiner Gegenwart verwendet, dann schicke ihm diesen Artikel! 🙂

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