Was ist eine teilnehmende Beobachtung? Wo kommt diese wissenschaftliche Methode her? In welchen Fällen wird sie eingesetzt? Und: Wie kannst du die Methode, die manchmal als „das letzte große Abenteuer der Sozialwissenschaft“ (Evans-Pritchard, 1973) bezeichnet wird, erfolgreich selbst durchführen?
Wenn die Antworten auf diese Fragen dir wichtig sind, dann bist du hier genau richtig. Schnapp dir ein Erfrischungsgetränk, lehne dich zurück und genieße dieses Video als sanften Einstieg in dein eigenes ethnographisches Abenteuer.
Ethno…was? Dazu kommen wir gleich.
Inhaltsverzeichnis
Ethnographische Forschung
Die teilnehmende Beobachtung ist Bestandteil ethnographischer Forschung – oft auch einfach Feldforschung genannt. Hierbei geht es darum, Erkenntnisse über das Verhalten von Menschen und Gruppen und deren Interaktion zu gewinnen.
Der Forschungsgegenstand kann dabei ein indigener Stamm in Papua-Neuguinea sein, aber auch ein Technologie Start-Up aus Castrop-Rauxel.
Das altgriechische Wort „Ethnos“ bedeutet so viel wie „fremdes Volk“. Ihren Ursprung hat diese Forschungsrichtung in der Anthropologie bzw. der Ethnologie. Typische Anwendungsfälle waren in der Tat Expeditionen in abgelegene Regionen oder auf einsamen Inseln, um die dort ansässigen Menschen, Stämme und deren Kulturen zu erforschen. Heute findet man ethnografische Methoden in einer Vielzahl von Disziplinen wieder: In der Soziologie, den Erziehungswissenschaften, der Sozialpsychologie oder auch der BWL.
Beobachtung
Die Beobachtung stellt ist die wahrscheinlich bekannteste Methode der Ethnografie. Bachmann (2009) erklärt die Methode in sehr verständlichen Worten:
„Will man etwas über andere Menschen herausfinden, geht man einfach zu ihnen hin, bleibt eine Weile, macht das mit, was diese Menschen dort normalerweise treiben, und lernt sie so durch eigene Erfahrung besser kennen.“ (S.1)
Hast du eine Forschungsfrage entwickelt, die durch eine Beschreibung des Verhaltens von Individuen in ihrer natürlichen Umgebung beantwortet werden kann, dann ist die Beobachtung eine geeignete Methode. Bei der Beobachtung kannst du mit eigenen Augen wahrnehmen, was du erforschen möchtest.
Bei anderen Methoden wie Experteninterviews oder Surveys musst du dich hingegen immer darauf verlassen, dass die Teilnehmenden gute und richtige Angaben machen.
Eine Folge davon ist natürlich, dass die Beobachtung eine der empirischen Methoden ist, bei der die Subjektivität der forschenden Person die größte Rolle spielt. In der qualitativen Forschung ist Subjektivität nichts Ungewöhnliches, aber bei der Beobachtung ist sie noch stärker ausgeprägt, da praktisch alles durch den „Filter“ bzw. die Sinne einer einzelnen Person läuft.
Nicht-Teilnehmende Beobachtung
Bei einer Nicht-Teilnehmenden Beobachtung, du hast es vielleicht schon vermutet, hältst du dich raus und spielst praktisch nur Mäuschen. Eine wichtige Unterscheidung neben Teilnahme und Nicht-Teilnehme ist außerdem, ob die Beobachtung offen oder verdeckt stattfindet.
Bei einer offenen Beobachtung würdest du zuerst um Erlaubnis zur Beobachtung bitten, dich den Menschen vorstellen und erklären, wieso und weshalb das Ganze hilfreich für sie sein könnte.
Eine verdeckte Beobachtung findet ohne das Wissen der Menschen statt. Hier könntest du richtig gute Einblicke bekommen, weil die Menschen sich so verhalten, wie sie es immer tun. Verdeckte Beobachtungen finden allerdings selten statt und das auch zu Recht. Ethisch ist diese Art der Beobachtung höchst problematisch und würde nur schwer eine Ethik-Kommission überzeugen.
Teilnehmende Beobachtung
Das „teilnehmend“ in „Teilnehmende Beobachtung“ bezieht sich auf darauf, wie stark zu als forschende Person im Geschehen involviert bist. Hier kannst du verschiedene Rollen einnehmen.
Gold (1958) unterscheidet hier zwischen 4 verschiedenen Rollen, die in der teilnehmenden Beobachtung vorkommen können:
1.Vollständige Teilnahme (wenn du eine Gruppe beobachtest, in der du bereits
Vollwertiges Mitglied bist, zum Beispiel in einer Firma, in der du als Werkstudentin arbeitest)
2. Aktive Teilnahme (wenn du versuchst, das zu tun, was die anderen tun, aber du eigentlich fremd in der Gruppe bist)
3. Mäßige Teilnahme (wenn du immer wieder zwischen Beobachtung und aktiver Teilnahme wechselst, um so eine bessere Balance zu finden);
4. Passive Teilnahme (wenn du vor Ort anwesend bist, aber nicht
teilnimmst und nur minimal mit den anderen interagierst)
Beispielsweise könntest du in einem indigenen Stamm im Amazonas bei einem spirituellen Ritual aktiv mitmachen und wärst so maximal involviert. Du kannst vielleicht Beobachtungen machen oder Gespräche führen, die dir sonst verborgen geblieben wären. Das wäre eine aktive Teilnahme. Du könntest aber auch nur Mitlaufen und dich passiv im Hintergrund halten und nur lächeln und mitklatschen. Das wäre dann eine passive Teilnahme. Bei einer Nicht-Teilnahme verzichtest du auf jegliche Interaktion.
Die aktive Teilnahme hat auf der anderen Seite aber natürlich zur Folge, dass das Verhalten der Menschen, die du beobachtest, dadurch beeinflusst wird, dass du an dem Ritual teilnimmst. Dies gilt es jederzeit zu berücksichtigen und zu diskutieren.
Darüber hinaus kannst du Gespräche mit den Menschen führen. Diese ethnografischen Interviews sind aber üblicherweise ganz anders als du das vielleicht von Experteninterviews kennst. Du folgst keinem Leitfaden, ihr befindet euch in einem natürlichen Setting und du versuchst eine respektvolle und vertrauenswürdige Beziehung aufzubauen. Das kann dann auch mal bei einem Lagerfeuer außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder in einem anderen verrückten Setting sein. Statt das Gespräch aufzunehmen kannst du dir Notizen machen und schreibst du was du gelernt hast im Anschluss in ein Forschungstagebuch.
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Die 3 Phasen der teilnehmende Beobachtung
Damit du für deine teilnehmende Beobachtung so gut wie möglich vorbereitet bist, habe ich für dich noch 3 Phasen, in die die Methode aufgeteilt werden kann. (Spradley, 1980; Flick 2019)
- Beschreibung der Forschungsumgebung
- Am Anfang deiner Mitgliedschaft in der Gruppe bist du ein Fremdkörper und musst dich erstmal akklimatisieren. Für die Gruppenmitglieder ist das eine neue Situation und sie müssen sich an deine Anwesenheit gewöhnen. Deshalb ist es in dieser Phase ratsam, sich ein wenig im Hintergrund zu halten und erstmal Beschreibungen der Umgebung anzufertigen. Du schreibst einfach alles auf was du siehst und erlebst. Gleichzeitig versuchst du dich mit den einzelnen Leuten bekannt zu machen und sie besser kennenzulernen
- Fokussierte Beobachtungen
- In dieser Phase bist du in der Gruppe akzeptiert und man hat sich an dich gewöhnt. Jetzt kannst du zielgerichtet Gespräche führen und dich in Situationen begeben, die dir dabei helfen deine Forschungsfragen zu beantworten.
- Selektive Beobachtungen
- Nun bist du in der Endphase deiner Studie. Du hast bereits erste Erkenntnisse erlangt und bestimmte Antworten auf deine Forschungsfragen im Kopf bzw. zu Papier gebracht. Jetzt geht es darum, Beispiele und Beweise dafür zu finden, damit du diese Erkenntnisse untermauern kannst.
Das Datenmaterial für die teilnehmende Beobachtung
Was die Umsetzung angeht, kannst du strukturiert oder unstrukturiert vorgehen. Hast du Checklisten erstellt, fragen vorformuliert oder sonstige Vorbereitungen getroffen, dann wäre das ein strukturierter Ansatz.
Gehst du völlig unvoreingenommen und mit einem leeren Notizbuch in deine Beobachtung, dann ist dein Ansatz unstrukturiert. Beides kann Vor- und Nachteile haben. Dein Forschungstagebuch ist besonders wichtig für die Analyse. Zusätzlich kannst du Notizen machen und diese später im Tagebuch ausformulieren. Damit du vor lauter Eindrücken das Schreiben nicht vergisst, kannst du dir auch einen Tag oder mehrere Stunden blocken. Dann ziehst du dich aus der Umgebung zurück und schreibst deine Eindrücke auf.
Und jetzt schnüre deine Stiefel und ab ins Abenteuer!
Wenn du auf dem Weg zu mehr Erfolg im Studium noch ein wenig Starthilfe für deine wissenschaftliche Arbeit benötigst, dann habe noch ein PDF für dich, das du dir gratis herunterladen kannst:
Die 30 besten Formulierungen für eine aufsehenerregende Einleitung
3 Gedanken zu „Teilnehmende Beobachtung (Methode und Auswertung einfach erklärt)“