Du möchtest in deiner wissenschaftlichen Arbeit qualitative Daten auswerten, aber neue Interviews zu führen oder Dokumente zu sammeln erscheint dir sehr mühsam? Die qualitative Meta-Studie ist deine Lösung.
Diese Methode ist gerade ziemlich im Kommen. Und genau wie bei Literatur-Reviews brauchst du dafür keine eigenen Daten zu erheben…
Du kannst einfach die qualitativen Daten anderer Studien verwenden und darin neue Zusammenhänge entdecken und Theorien entwickeln. Praktischer geht’s nicht, oder?
In diesem Artikel erkläre ich dir, wie du eine qualitative Meta-Studie durchführst und dabei wissenschaftliche Standards einhältst.
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist eine qualitative Meta-Studie?
Eine qualitative Meta-Studie (QMS) ist eine Methode, um gesammelte Daten aus verschiedenen qualitativen Studien zu einem Thema zusammenzuführen. Während du in einer einzelnen Studie oft nur eine Perspektive hast, ermöglicht dir QMS, die Erkenntnisse vieler Studien zu kombinieren und so ein umfassenderes und tieferes Verständnis zu gewinnen.
Meta-Analysen sind vor allem aus der quantitativen Forschung bekannt. Dort werden numerische Daten aus verschiedenen Studien statistisch kombiniert, um allgemeingültige Schlüsse zu ziehen. In der qualitativen Forschung geht es dagegen um narrative Daten, wie Interviews und Fallstudien. Diese werden nicht einfach zusammengezählt, sondern neu analysiert, zum Beispiel aus einer anderen theoretischen Perspektive, um so neue Einsichten zu gewinnen.
Wie man eine QMS durchführt, war bisher ein wenig unklar. Doch seit 2024 gibt es ein Paper von Habersang und Reihlen (2024), welches klare Richtlinien vorschlägt, mit denen Forschende ihre QMS strukturiert und vergleichbar gestalten können. Viele qualitativ Forschende haben begeistert auf das Paper reagiert und es als „instant classic“ bezeichnet.
Und deshalb schauen wir uns diese Richtlinien mal genauer an!
2. Die drei reflektiven Meta-Praktiken nach Habersang und Reihlen
Um qualitative Meta-Studien wirklich wertvoll zu machen, schlagen die Autoren drei wichtige Praktiken vor, die dir helfen, tiefere Einsichten aus deinen Studien zu gewinnen. Wie du die Studien aussuchst, dazu kommen wir gleich noch.
1. Translation (Übersetzung)
Oft verwenden verschiedene Studien unterschiedliche Begriffe für ähnliche Konzepte. Zum Beispiel könnte eine Studie über „emotionale Führung“ sprechen, während eine andere von „transformationaler Führung“ spricht. Translation bedeutet, dass du diese Begriffe in eine gemeinsame Sprache übersetzt, damit du die Studien vergleichen kannst.
Dabei geht es nicht nur um die Begriffe selbst, sondern auch darum, die Bedeutung hinter den Konzepten zu verstehen. Du musst also sicherstellen, dass die wichtigen Aussagen der Studien erhalten bleiben, während du gleichzeitig eine Verbindung zwischen ihnen herstellst.
2. Abstraction (Abstraktion)
Abstraktion bedeutet, dass du aus den vielen Details der einzelnen Studien größere Muster und übergreifende Theorien ableitest. Du hebst die Informationen auf eine höhere Ebene, um Gemeinsamkeiten zwischen den Studien zu erkennen.
Dabei ist es wichtig, den Kontext jeder Studie zu berücksichtigen – also die besonderen Umstände, in denen die jeweilige Studie durchgeführt wurde. Gleichzeitig musst du eine Theorie entwickeln, die in mehreren Studien gültig ist. Das erfordert eine Balance zwischen Detailgenauigkeit und Generalisierung.
Theorie-Entwicklung hört sich sehr hochtrabend an, aber mit anderen Methoden wie der Grounded Theory oder einem theoretischen Literature Review machst du auch nichts anderes. Neue Theorien zu bilden ist einfacher als es sich anhört.
3. Iterative Interrogation (Iterative Befragung)
Iterative Befragung bedeutet, dass du während deiner Analyse immer wieder zu deinen Daten zurückkehrst, um deine Annahmen zu überprüfen. Das ist ein ständiger Prozess des Hinterfragens und Anpassens. Deine Daten sind in diesem Fall die Direktzitate aus den qualitativen Studien, die du analysierst. Du beginnst vielleicht mit einer bestimmten Idee, aber während der Analyse findest du möglicherweise neue Informationen, die dich dazu bringen, deine ursprünglichen Annahmen zu überdenken.
Dieser Wechsel zwischen kritischem Hinterfragen und dem Finden von neuen Mustern sorgt dafür, dass deine Forschung innovativ ist und dennoch zu einem klaren und nachvollziehbaren Ergebnis führt.
3. Richtlinien für die Durchführung von bestätigenden QMS
Die Autoren unterscheiden zwischen bestätigenden und explorativen QMS. Dementsprechend unterscheiden sich die Vorgehensweisen für beide Ansätze. Schauen wir uns beide der Reihe nach an.
Bei einer bestätigenden QMS überprüfst du bestehende Theorien, indem du verschiedene Studien vergleichst. Ziel ist es herauszufinden, ob die gesammelten Ergebnisse eine Theorie stützen oder infrage stellen. Diese Methode ist besonders hilfreich, wenn du eine weit verbreitete Theorie testen oder Unterschiede zwischen den Ergebnissen unterschiedlicher Studien erkennen möchtest.
Leitlinien und Vorgehensweise:
1. Entwicklung einer theoriegeleiteten, engen Forschungsfrage
Starte mit einer klaren Forschungsfrage, die auf einer bestehenden Theorie basiert. Diese Frage hilft dir, spezifische Hypothesen zu entwickeln, die du dann anhand existierender Studien testen kannst.
Zum Beispiel: „Erhöht transformationales Leadership die Zufriedenheit von Mitarbeitenden in flachen Hierarchien?“ Diese Hypothese könnte die Basis deiner QMS sein.
2. Begründung eines umfassenden oder selektiven Suchansatzes
Du musst entscheiden, ob du eine umfassende Suche oder eine selektive Suche machst. Bei einer umfassenden Suche versuchst du, möglichst viele Studien zu finden, um eine breite Datenbasis zu haben. Das ist wichtig, um Verzerrungen zu vermeiden. Eine selektive Suche konzentriert sich hingegen auf besonders strenge Studien, die gut zu deiner Hypothese passen. Hier filterst du noch gezielter.
Beispiel: Wenn du die Auswirkungen von transformationalem Leadership in Start-ups untersuchen möchtest, suchst du spezifisch nach Papern mit Fallstudien aus diesem Bereich.
3. Auswahl homogener und vergleichbarer Fälle
Es ist wichtig, dass die Fälle, die du auswählst, methodisch und theoretisch gut zusammenpassen. Sie sollten ähnliche Konzepte oder Methoden nutzen, damit du die Ergebnisse gut vergleichen kannst. Es kann jedoch auch sinnvoll sein, ein paar abweichende Studien (sogenannte Outlier) einzubeziehen, um deine Theorie zu testen.
Wenn du z.B. Fälle auswählst, die alle verschiedene Führungsstile betrachten, sollte die Methode zur Erfassung von Mitarbeiterzufriedenheit vergleichbar sein. Outlier könnten zum Beispiel Studien sein, die zeigen, dass transformationales Leadership nur in bestimmten kulturellen Kontexten funktioniert.
4. Synthese durch Aggregation
Der Schlüssel zu einer bestätigenden QMS ist die Synthese durch Aggregation. Das heißt, du führst die Ergebnisse verschiedener Studien zusammen und schaust, ob sie deine Hypothese(n) stützen oder widerlegen. Du arbeitest mit deduktiven Kategorien (zum Beispiel „Unterstützt die Theorie?“) und entwickelst gleichzeitig induktive Kategorien, wenn während der Analyse überraschende Muster auftauchen. Am Ende möchtest du ein klares theoretisches Modell haben, das zeigt, wie gut deine Hypothesen unterstützt werden.
5. Qualitätssicherung durch Transparenz
Ein wichtiger Aspekt bei der bestätigenden QMS ist die Transparenz. Jede methodische Entscheidung, jede Anpassung und jeder Schritt deines Analyseprozesses muss sorgfältig dokumentiert werden. Dies stellt sicher, dass andere Forschende deine Arbeit nachvollziehen und deine Ergebnisse überprüfen können. Es ist essentiell, ein Protokoll zu führen, das alle wichtigen Schritte festhält – von der Literatursuche über die Auswahl der Fälle bis hin zur Analyse der Ergebnisse.
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4. Richtlinien für die Durchführung von explorativen QMS
Die explorative QMS zielt darauf ab, neue Theorien zu entwickeln oder bestehende Theorien zu erweitern. Hier geht es darum, dass du dir verschiedene Studien anschaust und nach neuen Mustern oder Erklärungen suchst, die vorher vielleicht übersehen wurden. Diese Art ist besonders geeignet, wenn es zu einem Thema noch keine klaren Theorien gibt.
Du „löschst“ sozusagen die in den Originalpapern verwendeten Theorien und startest die Analyse neu, indem du die Direktzitate aus vielen verschiedenen Studien zu einem neuen Datensatz kombinierst.
Leitlinien und Vorgehensweise
1. Entwicklung einer offenen Forschungsfrage
In der explorativen QMS ist die Forschungsfrage sehr offen gehalten, damit sie Raum für neue Ideen lässt. Du startest mit einem breiten Interesse an einem Phänomen und passt die Forschungsfrage während des Prozesses immer wieder an, je nachdem, was deine Daten hergeben.
Beispiel: Du könntest untersuchen, welche Phasen die Digitale Transformation in verschiedenen Organisationen durchlebt, ohne bereits eine festgelegte Theorie zu haben.
2. Breite oder gezielte Literatursuche
Oft beginnt eine explorative QMS mit einer breiten Suche nach möglichst vielen relevanten Studien, um ein breites Spektrum an Daten zu erfassen. Alternativ kannst du auch gezielt besonders informationsreiche Fälle auswählen, um tiefer in bestimmte Aspekte des Themas einzutauchen.
Beispiel: Du suchst nach Fallstudien aus verschiedenen Branchen, um zu sehen, wie Digital Transformation in unterschiedlichen Kontexten abläuft.
3. Heterogene und diverse Fallauswahl
Im Gegensatz zur bestätigenden QMS wählst du in einer explorativen QMS bewusst sehr unterschiedliche Fälle aus. Diese Vielfalt hilft dir, verschiedene Perspektiven und neue Zusammenhänge zu entdecken, die in einer homogenen Stichprobe nicht sichtbar wären.
4. Synthese durch Konfiguration
Anstatt die Ergebnisse der Studien in vordefinierte Kategorien zu zwängen, interpretierst du die Daten kreativ neu und versuchst, ein neues theoretisches Modell zu entwickeln.
Das Ziel ist es, aus den verschiedenen Studien ein neues Verständnis des Phänomens zu gewinnen.
5. Qualität durch Vielfalt und Tiefe
Eine explorative QMS wird daran gemessen, wie gut sie es schafft, neue Theorien zu entwickeln. Die Qualität hängt davon ab, wie vielfältig und tiefgehend die analysierten Fälle sind und wie gut du die neuen Muster herausgearbeitet hast.
Hier siehst du noch einmal eine Übersicht der beiden QMS Typen.
Kriterium | Bestätigende QMS | Explorative QMS |
---|---|---|
Ziel | Bestehende Theorien testen und verfeinern | Neue Theorien entwickeln |
Forschungsfrage | Eng, theoriegeleitet | Offen, breit gefasst |
Hypothesen | Vorab formuliert | Keine Hypothesen, Fokus auf Entdeckungen |
Suchstrategie | Umfassend oder selektiv | Oft umfassend, aber auch gezielte Stichproben möglich |
Stichprobe | Homogen und vergleichbar | Heterogen und divers |
Synthese | Durch Aggregation von Ergebnissen | Durch Konfiguration neuer theoretischer Modelle |
Qualitätskriterium | Testen und Verfeinern von Theorien | Neue Theorien entwickeln |
Eine qualitative Meta Studie ist sicherlich nicht einfach durchzuführen, aber z.B. als Masterarbeit super machbar. Wenn du schon mal qualitativ gearbeitet hast oder Zeit hast, dich in die Methode einzulesen, dann kannst du damit deine Gutachter positiv überraschen, wenn du eine QMS vorschlägst.
Wenn du auf dem Weg zu mehr Erfolg im Studium noch ein wenig Starthilfe für deine wissenschaftliche Arbeit benötigst, dann habe noch ein PDF für dich, das du dir gratis herunterladen kannst:
Die 30 besten Formulierungen für eine aufsehenerregende Einleitung