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Die dunkle Seite der Wissenschaft: Was dir im Studium niemand sagt

Gefälschte Daten und Replikationskrise

Wir verlassen uns täglich auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie stehen in Lehrbüchern, erscheinen in den Nachrichten und beeinflussen unsere politischen Entscheidungen. Doch was, wenn ein gefeierter Durchbruch bei genauerem Hinsehen gar keiner ist? Wenn sich Ergebnisse, die einst als sicher galten, nicht wiederholen lassen? Können wir der Wissenschaft dann noch vertrauen?

In den nächsten Minuten werfen wir einen Blick hinter die Kulissen: Warum manche spektakuläre Befunde nicht standhalten, welche systemischen Fehler dahinterstecken und was das für unser Vertrauen in die Wissenschaft bedeutet.

Inhaltsverzeichnis

Wenn Ergebnisse nicht halten: Die Replikationskrise

In der Replikationskrise scheitert etwas Grundlegendes: Viele wissenschaftliche Studien lassen sich nicht wiederholen. Selbst wenn andere Forschende den gleichen Versuch unter denselben Bedingungen durchführen, kommen sie zu völlig anderen oder gar keinen signifikanten Ergebnissen.

Ein berühmtes Beispiel stammt aus den 1990er-Jahren: das „Priming“-Experiment von John Bargh.
Priming bedeutet, dass wir durch bestimmte Reize wie etwa Wörter oder Bilder unbewusst beeinflusst werden. In Barghs Versuch lösten Studierende Wortpuzzles. Eine Gruppe bekam neutrale Begriffe, die andere Wörter, die mit „Altsein“ assoziiert wurden, zum Beispiel „grau“, „vergessen“ oder „alt“.

Dann verließen alle den Raum. Was die Teilnehmenden nicht wussten: Ihre Gehgeschwindigkeit im Flur wurde gemessen. Das Ergebnis: Die „Altsein“-Gruppe ging im Schnitt langsamer. Die Interpretation: Allein das Lesen dieser Wörter veränderte unbewusst ihr Verhalten.

Die Studie wurde weltberühmt und landete in unzähligen Lehrbüchern. Doch Jahre später versuchten mehrere Forschungsteams, das Experiment zu wiederholen. Ohne Erfolg. Der Moment war ein Weckruf: Wie viele vermeintlich gesicherte Erkenntnisse beruhen vielleicht nur auf Zufall?

Replikationen sind dabei eigentlich der Kern wissenschaftlicher Arbeit. Nur wenn Ergebnisse wiederholt bestätigt werden können, gelten sie als verlässlich. Wenn das nicht passiert, gerät nicht nur eine einzelne Studie ins Wanken, es stellt das gesamte Fundament infrage, auf dem wir Wissen aufbauen.

Auch in Medizin und Wirtschaft gibt es ähnliche Fälle. 2012 überprüfte das Biotechnologieunternehmen Amgen 53 hochangesehene Krebsforschungs-Studien. Das Resultat: Nur 11 % konnten bestätigt werden. Der Rest? Nicht reproduzierbar. Auch Bayer konnte nur 25% der Krebs-Studien reproduzieren. Die Onkologie war schockiert und die Debatte um die Replikationskrise bekam einen neuen Schub.

Solche Einzelfälle und Fachbereichsanalysen führten schließlich zu groß angelegten Prüfungen. 2015 brachte die Open Science Collaboration die Debatte auf ein neues Level: Über 270 Forschende aus aller Welt versuchten, 100 psychologische Studien zu replizieren. Das Ergebnis: Nur 36 Prozent konnten bestätigt werden.

Betrifft die Replikationskrise vor allem die Psychologie?

In der Psychologie sind große Replikationsprojekte vergleichsweise leicht umsetzbar: Die Experimente sind oft günstig, dauern nicht lange und nutzen leicht verfügbare Versuchspersonen wie Studierende. In anderen Disziplinen ist das deutlich aufwendiger: klinische Studien kosten Millionen, Feldexperimente in der Wirtschaft brauchen Kooperationen und vertrauliche Daten, biowissenschaftliche Labormethoden sind standortspezifisch.

Ein weiterer Grund: Psychologie erforscht Menschen und Menschen sind unterschiedlich. Persönlichkeit, Motivation, Vorwissen, Kultur, Sprache, Tagesform, sogar das Wetter kann Verhalten beeinflussen. Viele psychologische Effekte sind zudem relativ klein. Schon minimale Unterschiede im Versuchsaufbau oder in der Situation reichen daher aus, um den Effekt zu schwächen oder ganz verschwinden zu lassen. Diese natürliche Variabilität macht Replikationen in der Psychologie besonders anspruchsvoll.

Ursachen

Nicht jedes Ergebnis, das sich nicht wiederholen lässt, ist automatisch Betrug. Oft sind es ganz andere Gründe, die Replikationen scheitern lassen und sie reichen von kleinen methodischen Details bis zu systemischen Problemen im Wissenschaftsbetrieb.

Manchmal liegt es ganz einfach daran, dass in der Originalstudie wichtige Informationen fehlen. Schon kleine Änderungen können dafür sorgen, dass ein Effekt nicht mehr auftaucht. Auch Messinstrumente spielen eine Rolle: Wird ein Test anders übersetzt oder leicht angepasst, kann das Ergebnis kippen.

Ein weiterer Faktor ist die Statistik. Besonders kleine Stichproben können rein zufällig scheinbar „signifikante“ Ergebnisse liefern. Dazu kommen problematische Praktiken wie P-Hacking, bei dem Daten so lange analysiert werden, bis ein passender Wert erscheint, oder sogenanntes HARKing – Hypothesen erst nach der Auswertung anpassen, damit alles stimmig wirkt.

Gefälschte Daten und Replikationskrise

Und dann gibt es die systemischen Anreize. In der Wissenschaft gilt oft noch immer „Publish or perish“ . Wer viele, möglichst spektakuläre Ergebnisse veröffentlicht, hat bessere Chancen auf Jobs, Fördergelder und Prestige. Fachzeitschriften veröffentlichen lieber eine aufregende neue Entdeckung als eine Replikation, die zeigt, dass es den Effekt gar nicht gibt. Wer Karriere machen will, spürt diesen Druck und entscheidet sich gegen Wiederholungsstudien.

Und nicht zuletzt: Viele Nachwuchsforschende bekommen in ihrer Ausbildung zu wenig Training in Statistik und wissenschaftlicher Methodik. Das macht es leichter, unbeabsichtigt Fehler zu machen oder kritische Schwächen in Studien zu übersehen.

Die Replikationskrise ist deshalb selten das Werk Einzelner. Sie ist das Ergebnis einer Mischung aus Zufall, methodischen Schwächen, statistischen Fallstricken und einem System, das lieber Neues belohnt als Bestätigung.

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Akademischer Betrug

Fehler sind ein Teil des wissenschaftlichen Prozesses. Aber was passiert, wenn Forschende bewusst falsche Daten veröffentlichen? Dann sprechen wir von Academic Fraud, also wissenschaftlichem Betrug.

Einer der bekanntesten Fälle ist der des niederländischen Sozialpsychologen Diederik Stapel. Über mehr als ein Jahrzehnt veröffentlichte er Studien mit spektakulären Ergebnissen, viele davon perfekt für Schlagzeilen. Er „fand“ heraus, dass Menschen moralischer urteilen, wenn sie in einem sauberen Raum sitzen, dass der Anblick von Fleischbildern egoistischer macht, oder dass unordentliche Stadtviertel zu mehr Regelverstößen führen. Das Problem: Vieles davon war frei erfunden. Stapel führte oft gar keine Experimente durch, sondern konstruierte komplette Datensätze an seinem Schreibtisch. 2011 brachten Whistleblower, darunter seine eigenen Studierenden, die Manipulationen ans Licht. Über 50 Publikationen mussten zurückgezogen werden. Der Fall zeigte, wie leicht spektakuläre, aber falsche Ergebnisse den Weg in Fachzeitschriften und die Öffentlichkeit finden.

Noch gravierender sind die Folgen, wenn Betrug nicht nur Theorien, sondern Menschenleben betrifft. Der italienische Chirurg Paolo Macchiarini galt als Pionier der Transplantationsmedizin. Er implantierte künstliche Luftröhren aus Kunststoff, angeblich durchwachsen mit Stammzellen der Patient:innen, um ein nahtloses Einwachsen ins Gewebe zu ermöglichen. Seine Publikationen feierten die Methode als medizinische Sensation. Doch interne Untersuchungen und unabhängige Gutachten deckten auf: Macchiarini hatte Ergebnisse beschönigt und Komplikationen verschwiegen. Mehrere Patienten starben. Der Skandal führte zu juristischen Verfahren, der Rücknahme mehrerer Publikationen und zu einer tiefen Debatte über ethische Standards in der Medizin.

Der bislang jüngste und vielleicht brisanteste Fall kommt aus der Psychologie und von einer der angesehensten Universitäten der Welt. Francesca Gino, Professorin an der Harvard Business School, erforschte Ehrlichkeit und Integrität in Organisationen. Ihre Arbeiten erschienen in Top-Journalen, sie schrieb Bestseller und beriet internationale Unternehmen. 2023 deckte das Forscherteam des Blogs Data Colada Unstimmigkeiten in mehreren ihrer Studien auf. Der Verdacht: Datenmanipulation, um die Hypothesen zu stützen. Harvard leitete eine Untersuchung ein und 2025 folgte ein beispielloser Schritt: Gino verlor ihre Tenure Position, die lebenslange Professur. Die Ironie war offensichtlich, eine Expertin für Ehrlichkeit, die selbst der Unehrlichkeit überführt wurde. Der Fall machte weltweit Schlagzeilen und wurde zum Symbol dafür, dass selbst Eliteinstitutionen nicht vor wissenschaftlichem Fehlverhalten gefeit sind.

Was heißt das?

Nach solchen Geschichten stellt sich unweigerlich die Frage: Was heißt das jetzt für uns? Können wir der Wissenschaft überhaupt noch vertrauen? Und wie gehen wir als Studierende, Forschende oder einfach als kritische Menschen damit um?

Die kurze Antwort: Ja, aber nicht blind. Wissenschaft ist kein starres System, in dem einmal gefundene Ergebnisse für immer feststehen. Sie ist ein Prozess, der auf ständiger Überprüfung, Kritik und Verbesserung basiert. Genau dieser Prozess sorgt dafür, dass Fehler und sogar Betrug irgendwann ans Licht kommen, auch wenn es manchmal Jahre dauert.

Für uns als Gesellschaft heißt das: Vertrauen sollte nicht auf einzelnen Studien beruhen, sondern auf dem Gesamtprozess der Forschung und dessen Institutionen. Dabei müssen sich diese Institutionen immer wieder selbst korrigieren dürfen.

Gefälschte Daten und Replikationskrise

Wenn du auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifst, dann verlasse dich nicht auf nur eine Studie. Einzelne Befunde können falsch sein, aber wenn viele unabhängige Untersuchungen zu ähnlichen Ergebnissen kommen, steigert das ihre Verlässlichkeit. Metastudien und Replikationsprojekte sind deshalb so wertvoll, weil sie viele Studien zu einer Fragestellung bündeln und zeigen, ob ein Effekt wirklich robust ist.

Genauso wichtig ist es, die Rahmenbedingungen zu verbessern: Mehr Anerkennung und Finanzierung für Wiederholungsstudien und eine Ausbildung, die wissenschaftliche Integrität und kritisches Denken ins Zentrum stellt. Denn nur so gibt es Anreize für Forschung, die nicht nur neu, sondern auch belastbar ist.

Wissenschaft wird nie unfehlbar sein. Aber je mehr wir überprüfen, offenlegen und wiederholen, desto eher können wir Ergebnissen vertrauen. Denn in einer Welt in der Geschichten immer mehr Gewicht als die Wahrheit bekommen, ist die Wissenschaft das Beste was wir haben, um die Wahrheit zu verteidigen.

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