Hast du schon mal von Ockham’s Rasiermesser gehört? Nein? Dann solltest du jetzt dranbleiben. Denn Ockham’s Rasiermesser ist die Bezeichnung für eines der zentralen Prinzipien der modernen Wissenschaftstheorie.

Das Schöne daran ist, dass es sich auch auf deinen Alltag übertragen lässt und dir einen Kompass an die Hand gibt, mit dem du dich im Dickicht von Querdenkern, Falschinformationen und Verschwörungstheorien zurechtfindest.

In diesem Video erkläre ich dir die Herkunft und das Grundprinzip von Ockham’s Rasiermesser und gebe dir ein aktuelles Beispiel, wie du es für deine Suche nach der Wahrheit anwenden kannst.

Mit diesem Wissen bist du bestmöglich für Diskussionen und Debatten gerüstet und kannst mit glattrasierter Brust dein Verständnis von Wissenschaftstheorie unter Beweis stellen.

Der Denker: Wilhelm von Ockham (1288-1347)

Der gute Wilhelm von Ockham lebte im Mittelalter und war gleichzeitig Philosoph und Theologe. Seine Schriften widmeten sich einer Vielzahl von Themen, von der Logik über politische Themen bis hin zu philosophischen Grundsatzfragen.

Am meisten wird sein Name heutzutage jedoch mit der besagten Rasiermesser Metapher in Verbindung gebracht. Er war mitnichten der erste Denker, der das dahinter verborgene Sparsamkeits- oder auch Parsimonitätsprinzip zur Anwendung brachte.

Doch das Bild des Rasiermessers war einfach ein genialer Marketingschachzug.

Ockham’s Rasiermesser (Occam’s Razor)

Im Grunde besagt das Gesetzt der Parsimonität nichts anders als:

Die einfachste Erklärung ist immer die wahrscheinlichste. 

In der Wissenschaft verwenden wir Theorien, um Phänomene aus der realen Welt besser zu verstehen, zu erklären und vorherzusagen.

Um ein bestimmtes Phänomen können sich jedoch eine Menge unterschiedlicher Theorien ranken. Jede dieser Theorien baut auf völlig eigenen Variablen und deren Beziehungen, die wir als Hypothesen formulieren können, auf.

Ockham’s Rasiermesser besagt, dass die Theorie, welche mit der geringsten Anzahl an Variablen und zu beweisenden Hypothesen auskommt, das Phänomen sehr wahrscheinlich am besten erklärt.

Optisch kannst du dir das am besten so vergegenwärtigen:

Und was hat Sparsamkeitsprinzip nun mit einem Rasiermesser zu tun?

Ganz einfach. Mit dem Rasiermesser lassen sich alle unnötigen Bestandteile einer Theorie sauber abtrennen. So bleibt die Theorie übrig, die mit so wenig Variablen und Hypothesen wie möglich auskommt.

Die Alltagsrelevanz von Ockham’s Raziermesser: Ein Beispiel

Da wir im Alltag nicht über die Zeit und die Mittel verfügen, um jede Hypothese zu überprüfen, brauchen wir also einen Kompass. Dieser hilft uns die Theorie zu finden, die das Geschehen am Wahrscheinlichsten erklärt.

Das Prinzip des Falsifikationismus nach Popper, nach dem eine Theorie nur dann gut ist, wenn wir sie widerlegen können und dafür peinlich genau jede Hypothese testen müssen, ist zwar für die Wissenschaft total wichtig, im Alltag aber unpraktisch.

Ockham’s Rasiermesser kannst du jedoch ganz einfach für dich anwenden.

Ein einfaches Beispiel aus dem Jahr 2020:

Joe Biden gewinnt mit der Mehrheit der Stimmen die US-Präsidentschaftswahl.

Wie konnte das passieren? Nun ja, dazu existieren tatsächlich mehrere Theorien.

Beispieltheorien

Theorie 1 besagt, dass es sich hierbei um hinterhältigen Wahlbetrug handelt. In einer Vielzahl amerikanischer Städte wurden Autos mit Biden’s Konterfei auf der Schiebetür gesichtet, die Kistenweise Wahlzettel haben verschwinden lassen. Außerdem wurde mehreren republikanischen Wahlbeobachtern der Zugang zur Auszählung verwehrt. Deshalb hat Joe Biden die Wahl gewonnen.

Eine weitere Theorie (Theorie 2) besagt, dass alle großen amerikanischen, europäischen und sonst wo ansässigen Medienanstalten gemeinsam daran arbeiten, Biden zum Wahlsieger zu erklären. Die Wahlergebnisse sind in Wahrheit falsch und Donald Trump ist der eigentliche Sieger.

Nach Theorie 3 hat sich Biden’s Wahlsieg so ereignet: Die Mehrheit der amerikanischen WählerInnen hatte genug von der Politik von Donald Trump und hat daher für Biden gestimmt.

Ergebnis

Wenden wir hier nun Ockham’s Rasiermesser an, erscheint Theorie 3 als die wahrscheinlich richtige. Das heißt aber nicht, dass sie nun bewiesen ist und alle anderen Theorien nicht stimmen.

Wir können Theorie 1 und 2 nicht wirklich entkräften, weil uns dazu die Möglichkeit fehlt. Genauso wenig können jedoch die Verfechter dieser Theorien sie beweisen.

Wir haben hier lediglich Ockham’s Rasiermesser angewandt.

Die Wirklichkeit ist oft komplex und manchmal reichen simple Theorien nicht aus. Dennoch ist es eine wichtige Maxime innerhalb der Wissenschaft, dem Gesetz der Parsimonie zu folgen und Theorien so einfach wie möglich und so komplex wie nötig zu gestalten.

Doch du wirst überrascht sein, wenn du dich in Zukunft an das Prinzip von Ockham’s Rasiermesser erinnern wirst. Denn die einfachste Erklärung ist tatsächlich meist korrekt.

Zusammenfassung

Hier noch einmal die wichtigsten Punkte für dich zusammengefasst:

• Ockham’s Rasiermesser besagt, dass die einfachste Theorie die Wirklichkeit sehr wahrscheinlich am besten erklärt.
• Das Rasiermesser schneidet überflüssige Variablen und Hypothesen einfach weg
• Du kannst das Prinzip, was auch unter dem Sparsamkeitsprinzip oder dem Gesetz der Parsimonie bekannt ist, in deinem Alltag anwenden. Frage dich bei unklarer Sachlage: Welche der Theorien ist am einfachsten, d.h. wo müssen am wenigsten Zusammenhänge bewiesen werden, damit sie wahr ist?

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